25 - Ardistan und Dschinnistan II
den
Mir von Ardistan in Romankapitel zu fassen, so hätte wohl kein einziger
von ihnen verfehlt, dieses erste, feindliche Zusammentreffen der beiden
außerordentlich explosiven Charaktere so erregt und laut wie möglich
vor sich gehen zu lassen. Und nun so ganz im Gegenteil hier diese
eisige, vollständig sprachlose Stille! Es hatte keiner von ihnen auch
nur ein einziges Wort an den anderen gerichtet! Gerade die Hauptsache
wurde so vollständig in Schweigen gehüllt, als ob sie gar nicht
existiere! Wie sonderbar, daß die beiden Parteien sich gegenseitig in
die Hände gefallen waren! Wir waren die Gefangenen des ‚Panthers‘ und
seines ‚Generals‘ und sie doch ebenso auch die unserigen! Wie würde
sich das lösen?
Diese letztere Frage war es, die den Mir ganz besonders
beschäftigte, obgleich er die Überzeugung hegte, daß ihre Beantwortung
nicht etwa schwer, sondern sogar sehr leicht sein werde. Er glaubte
wirklich, daß wir nach unserer Ankunft in der ‚Stadt der Toten‘ um so
eher wieder frei sein würden, je williger wir uns in die Gefangenschaft
fügten. Also nicht unsere Befreiung machte ihm Sorge, sondern seine
Bangigkeit hatte einen ganz anderen Grund, und dieser Grund hieß –
Wasser!
Während wir unterwegs waren, schwieg er hierüber, weil die
Gefangenen nichts hören sollten. Aber als wir dann kurz nach Mittag
lagerten, um die Pferde ausruhen zu lassen, sonderte er sich mit mir
und Halef von ihnen ab, um uns das, was ihn bedenklich machte,
mitzuteilen.
Ich muß vorher sagen, daß wir uns jetzt nicht mehr auf bebautem
Boden bewegten. Es gab nur hier und da noch ein einsames, dürftiges
Feld. Auch grasige Flächen wurden immer seltener. Wir hatten die Steppe
erreicht, und grad der Teil von ihr, den wir durchqueren mußten, schien
der unfruchtbarste von allen anderen zu sein. Nämlich von Ard bis an
die Ruine war unser Weg genau von Nord nach Süd gegangen; jetzt aber
führte er ebenso genau von Ost nach West. Unser Ziel, die ‚Stadt der
Toten‘, lag im Westen am ausgetrockneten Strom, dessen Wasser, wie die
bekannte Sage erzählte, bergauf nach seinem Ursprung zurückgegangen
war. Dort gab es jetzt nur noch Wüste, vollständig sterile Wüste, in
der die längst ausgestorbenen, doch nicht zerfallenen Häuser der
einstigen Hauptstadt lagen. In diese Wüste ging die Steppe über, in der
wir uns jetzt befanden. Sie entblößte sich, je weiter wir kamen, immer
mehr und mehr von Gras und Futterpflanzen und brachte schließlich nur
noch jene kleinen, niedrigen und dürren Kräuter hervor, welche reich an
ätherischen Ölen sind und darum nicht von den Pferden gefressen werden.
Dieser Umstand brauchte uns allerdings, was nur uns betrifft, keine
Sorge zu machen, denn wir hatten uns wohl vorgesehen. Wir hatten nicht
nur Proviant für uns selbst mit, sondern auch einige Futterrationen für
die Pferde. Und wer da weiß, daß sogar unsere Hunde, wenn wir unterwegs
waren, in ihren aufgeschnallten Sattelschläuchen Wasser bei sich zu
tragen pflegten, der wird es für ganz selbstverständlich halten, daß
wir diese Schläuche heut früh in der Ruine von neuem gefüllt hatten und
also mit Wasser wohl versehen waren. Also nicht um uns handelte es
sich, wohl aber um die über tausend Menschen und über tausend Pferde,
bei denen wir uns befanden. Woher sollte in dieser Gegend das nötige
Wasser für sie alle kommen?
Diese Frage trat auch an mich um so näher heran, je weiter wir auf
unserem Weg kamen. Als wir sahen, daß das vor uns reitende Regiment
anhielt, um eine Ruhepause zu machen, und wir also auch anhalten
mußten, gab es rundum keine Quelle, keinen Tümpel, keinen einzigen
Tropfen Wasser. Mensch und Tier mußte also dürsten. Wir aber öffneten
unsere Schläuche, nicht nur für uns, sondern auch für die Gefangenen.
Die Hunde durften trinken, und sogar auch die Pferde bekamen so viel,
daß es ausreichte, sie wenigstens zu erfrischen. Da bekamen ich und
Halef einen Wink vom Mir, zu ihm zu kommen. Er hatte sich abseits
gesetzt, von den Gefangenen entfernt, um nicht gezwungen zu sein, sich
überhaupt mit ihnen zu befassen. Als wir uns bei ihm niedergelassen
hatten, war meine erste Frage an ihn nach Wasser für unterwegs. Er
antwortete:
„Das ist es, was ich mit dir zu besprechen habe. Nicht jetzt ist
diese deine Frage für uns dringlich, sondern erst dann, wenn wir frei
sind und uns auf den Heimweg machen wollen.“
„So gibt es in der ‚Stadt der Toten‘ wohl gar kein Wasser?“ erkundigte ich
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