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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Halef:
    „Wozu diese Grausamkeit? Mach das nicht wieder, sonst gewöhne ich es dir ab!“
    Da hielt es der Tschoban doch für gut, sein Schweigen zu
unterbrechen. Er fragte zornig: „Was geht es dich an? Wem gehört das
Pferd?“
    „Ob mir oder dir, ist gleich! Ich dulde nicht, daß du zur Bestie wirst, die tiefer steht als dieses arme Tier!“
    „Du duldest es nicht?“ klang es höhnisch zurück. „Wie willst du es anfangen, Kleiner?“
    Bekanntlich konnte nichts den Hadschi so sehr in Zorn bringen, als
wenn man von seiner Kleinheit sprach. Er flammte auch jetzt sofort und
drohend auf:
    „Wage den Versuch, so wirst du es gleich sehen!“
    „Wirklich? Gleich? Laß also sehen!“
    Er stieß seinem Pferd die Sporen in das Fleisch, daß es mit allen
Vieren in die Luft ging. Wir ritten zu seiner rechten und linken Hand.
Ich drängte Syrr schnell zur Seite, damit er nicht von den Hufen des
mißhandelten Pferdes getroffen werde. Halef aber wich nicht zurück; er
zog schnell sein Messer und stach dem ‚Panther‘ die Spitze desselben
zwei-, dreimal über zolltief in den Oberschenkel.
    „Du wagst, zu stechen, Hund!“ brüllte dieser auf.
    „Das war für das Pferd!“ antwortete Halef. „Und das ist für den Hund!“
    Er richtete sich in den Bügeln auf, holte aus und schlug dem
Tierquäler eine so kräftige, laut schallende Ohrfeige in das Gesicht,
daß der Getroffene ihn zunächst ganz fassungslos anstarrte, dann aber
trotz seiner zusammengebundenen Hände sich zu ihm hinüberschnellen
wollte, um sich zu rächen. Da aber faßte ich ihn am Arm, hielt ihn fest
und sagte:
    „Halt! Genug! Wenn deine Sporen das Pferd nur noch einmal berühren,
dann menge ich mich drein! Wer nicht als Mensch, sondern als Vieh
handelt, der wird als Vieh bestraft!“
    Er blitzte mich mit tückischen Augen an und wollte etwas erwidern; das schnitt ich ihm aber durch den Befehl ab:
    „Fertig! Kein Wort mehr!“
    Er gehorchte; aber der Gedanke, schweigen zu müssen, arbeitete
derart an ihm herum, daß eine Explosion vorauszusehen war. Sein Blick
hing in einem fort an dem Schenkel, der an drei Stellen blutete. Er gab
sich die größte Mühe, seinen Grimm zu beherrschen, aber vergeblich; er
platzte nach einige Zeit doch los:
    „Ja, ich will still sein, still! Aber nur heut! Wartet nur bis
morgen! Da werdet ihr vor Angst und Entsetzen brüllen, schreien und
quaken wie die Frösche, ehe sie im Schnabel des Pelikan verschwinden!“
    Wir antworteten nicht. Da dachte er, wir hätten das von ihm angewendete Bild nicht verstanden. Darum fragte er:
    „Habt ihr es gehört? Der Pelikan bin ich! Die Frösche aber seid ihr, ihr, ihr!“
    Halef lachte lustig auf:
    „Sihdi, heißt Pelikan nicht Kropfgans?“ erkundigte er sich.
    „Ja“, antwortete ich.
    „Also Kropfgänserich! Der Prinz der Tschoban ist Kropfgänserich! Er selbst behauptet es! Das genügt!“
    Ich will keineswegs sagen, daß diese Ironie des kleinen Hadschi
geistreich gewesen sei, o nein; aber sie war dem Bildungsstand des
‚Panthers‘ vollständig angepaßt, und Halef brachte sie in seiner ihm
eigenen Weise derart vor, daß sie ihren Zweck nicht verfehlte. Der
Verspottete war zum Schweigen gebracht. Er sah ein, daß es gefährlich
sei, mit dem Hadschi anzubinden, ganz gleich, ob in dieser oder in
einer anderen Weise.
    Sein Mitverschworener, der ‚General‘, verhielt sich sehr ruhig und
gefügig. Er belästigte die beiden Ussul, zwischen denen er ritt, nicht
im geringsten. Ebenso still war auch der Mir, der es vorzog hinter uns
der allerletzte zu sein. Er gestand mir später, daß es ihm genauso
vorgekommen sei, als ob er das, was geschah, nicht erlebe, sondern nur
träume. Und ich gebe ja zu, daß die Situationen und Geschehnisse, in
deren Mitte wir uns befanden, keine gewöhnlichen waren und den Irrtum
zu träumen, sehr wohl vortäuschen konnten. Das Ungewöhnliche lag nicht
darin, daß ein orientalischer Despot sich plötzlich und wie mit einem
Schlag all seiner Macht beraubt sah, denn das ist schon oft geschehen
und wird sich wohl auch noch oft wiederholen, sondern die
Nebenumstände, die sich an dieses Ereignis setzten wie die
Nebensprossen eines treibenden Astes, sie waren es, welche den Eindruck
des Seltsamen, des Phantastischen, des Wunderlichen und Verblüffenden
hervorriefen. Das Unglaublichste war jedenfalls das Verhalten der
beiden Hauptpersonen zueinander. Wenn an tausend Schriftsteller die
Aufforderung ergangen wäre, die Verschwörung des ‚Panther‘ gegen

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