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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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finsterem Blick das, was geschah, beobachtend. Er hatte die
geladenen Pistolen seiner beiden Gegner im Gürtel stecken und seine
eigenen dazu. Ich war überzeugt, daß er sie augenblicklich
niederschießen werde, falls sie einen Versuch der Flucht oder der
Gegenwehr wagten. Das gab mir die Möglichkeit, mich freier zu bewegen.
Ich hatte nicht nötig auf die Gefangenen aufzupassen, und ging zum
Proviant, um ohne alles vorherige Fragen für uns auszuwählen, was ich
für nötig hielt. Als der ‚Panther‘ das sah, öffnete er schon den Mund,
um es mir zu verbieten; da aber fuhr ihn der kleine Hadschi
gebieterisch an:
    „Schweig! Behalte drin, was du im Maul hast! Denn etwas Gutes ist es keinesfalls!“
    Da war er still. Ich aber füllte alle unsere Fouragetaschen, bis
nichts mehr hineinging und sorgte dann in gleicher Weise auch für die
Futtersäcke unserer Pferde. Wenn ich dabei zu dem ‚Panther‘ und zu
seinem ‚General‘ hinüberschaute, sah ich in ihren Gesichtern einen
höhnischen Zug der mir deutlich sagte: „Mach, was du willst; versorge
dich mit Vorräten, soviel du immer willst; es ist doch unnötig; ihr
seid trotzdem verloren, verloren auf alle Fälle!“
    Als ich hiermit fertig war, ging ich in das Zisternenhaus. Ich hatte
keinen besonderen Grund hierzu. Ich tat es nur, um mir sagen zu können,
daß ich nichts versäumt habe, mich so genau wie möglich zu orientieren.
Sein Inneres bestand aus den vier nackten, kahlen Wänden. Es war leer.
Aber ein Mann befand sich da, ein einziger Mann, der an der Erde saß
und mich hatte kommen sehen. Er war nicht Soldat. Als ich mich dem Haus
näherte und dann zu ihm hintrat, verschlang er mich förmlich mit seinen
weitaufgerissenen, ängstlich blickenden Augen. Indem er aufsprang
fragte er mich in dem hastigen, halblauten Ton eines Menschen, der
etwas sagen will, was er aber doch nicht sagen darf:
    „Wer bist du, Herr? Sag schnell, wer du bist?“
    „Ich bin ein Fremder“, antwortete ich.
    „Ein Fremder nur? Du bist nicht aus Ard?“
    „Ich komme von dort, bin aber nicht dort geboren.“
    „Bist du allein?“
    „Nein!“
    „Wer ist bei dir?“
    „Wir sind fünf Personen. Die vier anderen sind Freunde von mir.“
    „Ist ein hoher, sehr hoher Herr bei ihnen?“ erkundigte er sich,
indem er ganz nahe an mich herantrat und die Worte fast
übereinanderstürzte.
    „Ja.“
    „Wer? Sag schnell, schnell, schnell!“
    Ich zögerte, da fuhr er fort:
    „Du kannst, du darfst es sagen! Du sollst es sagen! Ist es etwa der Mir? Der Mir von Ardistan?“
    „Ja“, nickte ich.
    „Gefangen?“
    „Noch nicht ganz, aber doch beinahe.“
    „Ist er es, der nach der ‚Stadt der Toten‘ gebracht werden soll?“
    „Ja.“
    „Und du mit?“
    „Ja. Wir alle fünf. Wer bist du?“
    „Ich bin der Brunnen und Zisternenwächter. Der Mir ist mein
Herrscher. Ich habe ihm treu gedient und bin ihm auch jetzt noch treu.
Aber ich habe schwören müssen, nichts zu verraten. Der Mir soll
sterben!“
    „Ich vermute es!“
    „Er soll verhungern und verdursten! Und nicht nur er allein, sondern
auch alle die, welche bei ihm sind. Könnt ihr denn nicht fliehen?“
    „Es wäre wohl möglich; aber wir wollen nicht.“
    „Ihr wollt nicht? Das ist mir unfaßbar! Ihr wollt nicht! Wo doch der sichere Tod grad vor euch liegt!“
    „Geziemt es dem Mir, vor diesen empörerischen Halunken und Verrätern
auszureißen? Außerdem haben wir auch noch andere Gründe, uns nach der
‚Stadt der Toten‘ führen zu lassen.“
    „So muß ich schweigen. Ich kann euch nicht retten, so gerne ich auch
wollte. Aber ich habe dich gewarnt! Hast du eine Ahnung von dem, was
euch dort erwartet?“
    „Ich ahne verschiedenes. Aber sei es, was es sei, wir fürchten uns nicht!“
    Er sah mir prüfend in das Gesicht, schüttelte den Kopf und sagte:
    „Du scheinst sehr getrost zu sein, und ich errate, woher das
wahrscheinlich kommt. Der Mir glaubt, in die Geheimnisse der ‚Stadt der
Toten‘ eingeweiht zu sein; aber er ist es nicht. Er kennt nur einige,
aber nicht alle. Diese Geheimnisse sind Eigentum der Geistlichkeit, und
zwar auch nur der allerhöchsten Personen unter ihr. Der Regierung wurde
stets nur so viel von ihnen mitgeteilt, wie im Interesse dieser
geistlichen Herrscher lag.“
    „Welche Geistlichkeit meinst du?“
    „Die mohammedanische und die lamaistische.“
    „Nicht die christliche?“
    „O nein, diese nicht. Sie ist ehrlich. Es gibt keine Verbrecher
unter ihr. Sie hält sich stets von solchen

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