25 - Ardistan und Dschinnistan II
entsetzlichen Dingen fern.
Auch macht man niemals einen Versuch, sie einzuweihen. Sie wurde nicht
geachtet. Sie war ja unterdrückt!“
„Du verteidigst sie so dringlich. Bist du etwa ein Christ?“
Er wurde verlegen.
„Du kannst es mir offen sagen“, fuhr ich fort. „Ich bin nämlich auch einer.“
„Du auch? Wie schade, jammerschade!“
„Warum schade?“
„Ich meine, jammerschade um dich! Nun tut es mir doppelt und
zehnfach leid um dich! Ihr seid dem Tod geweiht. Glaube ja nicht, daß
ihr entkommen könnt! Vollständig bekannt sind die Irrkammern und
Irrwege der Totenstadt nur ganz wenigen. Der beste Kenner war der
Maha-Lama von Dschunubistan, der jetzt Gefangener der Ussul zu sein
scheint. Nach ihm sind wohl am besten eingeweiht der Maha-Lama von
Ardistan und der Basch-Islami. Der letztere war erst vor kurzem hier,
begleitet von einer kleinen Schar von Eingeweihten. Sie ritten nach der
‚Stadt der Toten‘ und blieben mehrere Tage dort. Wenn das geschieht, so
handelt es sich stets um die Vorbereitung für wichtige Gäste, die für
immer verschwinden sollen. Jetzt stellt es sich nun heraus, daß ihr es
seid, um die es sich dabei gehandelt hat!“
Was ich da erfuhr, war im höchsten Grad interessant. Also der alte
Basch-Islami war in die Geheimnisse der Totenstadt besser eingeweiht
als selbst der Mir! Und da er glaubte, daß der ‚Panther‘ seine Tochter
zur Frau nehmen und sie zur Herrscherin machen würde, hatte er ihm so
viel wie nötig war, davon verraten! Daher die Zuversicht, mit welcher
der ‚neue‘ Mir von Ardistan davon sprach, daß wir verloren seien! Es
gab noch einige sehr wichtige Fragen, die ich an den braven Wärter zu
richten hatte, der aber deutete auf einen älteren Offizier, der sich
dem Zisternenhause mit schnellem Schritt näherte, und sagte:
„Wir werden unterbrochen. Dort kommt der bisherige Major, der nun
Oberst geworden ist, weil der Oberst zum General aufstieg. Ich bitte
dich um Gottes willen, vorsichtig zu sein. Hast du Zündhölzer, um Licht
zu machen?“
„Ja.“
„Viel?“
„Allzuviel freilich nicht. Warum willst du das wissen?“
„Weil es wahrscheinlich zu eurer Rettung nötig ist. Ihr werdet sehr,
sehr lange im Dunkel sein. Sorge für Zündhölzer! Sorge für Licht! Ich
sah dir zu, als du deine Taschen und deine Säcke packtest. Du nahmst
nur von dem großen Haufen, der die Vorräte für die Mannschaften
enthält, nicht aber von dem zugedeckten, kleinen, der für die Offiziere
bestimmt ist. Dort ist wahrscheinlich auch alles zu finden, was man
nötig hat, um Licht und Feuer zu machen –“
Er hatte sehr schnell gesprochen, um fertig zu werden. Jetzt brach
er ab, denn der Offizier hatte nur noch wenige Schritte zu tun, um uns
zu erreichen.
„Ich danke dir!“ raunte ich ihm noch eilig zu. „Ich werde dir das nicht vergessen und den Mir seinerzeit an dich erinnern!“
Nun war der ‚Oberst‘ da.
„Was hast du mit diesem Menschen zu reden?“ fuhr er mich an. Ich
hätte ihm sehr gerne ebenso grob geantwortet, sagte mir aber, daß ich
dadurch dem treuen Wärter außerordentlich schaden würde, ohne selbst
einen Nutzen davon zu haben. Darum antwortete ich im unbefangensten
Ton: „Ich fragte ihn nach der Tiefe des Brunnens und nach der Mechanik,
mit der das Wasser emporgefördert wird. Er erklärte es mir.“
„Weißt du es nun?“
„Ja.“
„So bist du mit ihm fertig. Sei übrigens froh, daß du überhaupt
Wasser hast, und bekümmere dich nicht auch noch darum, wie man es sich
verschafft! Ich habe mit dem neuen Mir von Ardistan zu sprechen!“
„So frag den alten Mir, ob er es dir erlaubt!“ riet ich ihm.
„Oho! Der ist abgesetzt! Der hat uns weder etwas zu erlauben noch etwas zu verbieten!“
„So versuche es, ob du es fertig bringst, ohne seine Genehmigung mit
dem Verräter zu sprechen. Ich warne dich! Du bringst den, mit dem du
reden willst, in Lebensgefahr!“
„Alle Teufel! Ist es denn wirklich euer Ernst?“
„Ja!“
„Ihr würdet ihn erstechen oder erschießen?“
„Unbedingt! Und nicht nur ihn und seinen Mitgefangenen, sondern auch dich selbst!“
Wir hatten das Zisternenhaus verlassen und schritten der Stelle zu,
an der sich meine Gefährten befanden. Aber bei diesen meinen letzten
Worten hielt er den Schritt inne und fragte:
„Auch mich?“
„Ja!“
„Wirklich, wirklich?“
„Ich gebe dir mein Wort darauf!“
Ich sagte das so ernst und bestimmt und zog dabei die Brauen so
finster zusammen, daß er, einen
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