Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
viel weniger gebieterischen Ton
annehmend, ausrief:
    „Aber was soll man denn da tun?“
    „Was dir beliebt! Euer Leben steht in unseren Händen. Wenn ihr es wegwerfen wollt, wir hindern euch nicht!“
    „Aber es wäre doch euer eigener Tod! Unsere Truppen würden euch zerreißen!“
    „Was sie tun würden, das laß getrost nur ihre und unsere Sache sein!“
    „Aber meine Instruktion reicht nur bis hierher an diese Stelle,
nicht aber weiter! Für das, was von jetzt an geschehen soll, habe ich
mir neue Befehle zu holen!“
    „Dagegen haben wir wohl nichts, vorausgesetzt, daß wir diese Befehle mit hören!“
    „Unmöglich! Sie sind natürlich nur für mich, nicht aber für euch!“
    „So kehre getrost dorthin zurück, woher du gekommen bist! Zu
verlangen, daß wir euch unter vier oder sechs Augen miteinander
sprechen lassen, das ist entweder eine Frechheit oder eine
Verrücktheit, die von uns zurückgewiesen wird! Und dort sehe ich noch
andere Offiziere kommen. Sie scheinen die Absicht zu haben, sich dir
hier zuzugesellen. Winke ihnen sofort ab! Wir dulden nicht, daß sie
sich unseren Gefangenen nähern! Bleiben sie nicht augenblicklich
stehen, so geschieht etwas, was du nicht verantworten kannst! Schau hin
zum Mir! Siehst du, was er tut?“
    Auch der Mir sah die Personen, welche augenscheinlich gewillt waren,
zu uns herbeizukommen. Er zog zwei Pistolen aus dem Gürtel und richtete
sie direkt auf den ‚Panther‘ und seinen ‚General‘.
    Da gab der ‚Oberst‘ schnell den von ihm verlangten Wink, der gehorsam befolgt wurde, und stieß die wenigen Worte hervor:
    „Es ist eine Schande! Wir haben euch in unserer Gewalt und müssen
doch tun, was euch, den Gefangenen, gefällt! Glaubt ihr etwa, daß wir
euch das nicht heimzahlen werden?“
    „Ja, das glauben wir allerdings!“ lachte ich.
    „So bin nun ich es, der von Verrücktheit sprechen kann, nicht aber
mehr du! Soll denn das wirklich so fortgehen, daß ihr unsere zwei
höchsten Vorgesetzten als Gefangene behandelt, nur um sie als Schild
für euch zu benützen?“
    „Ja; das soll allerdings so fortgehen“, nickte ich.
    „Heut und morgen?“
    „Heut und morgen, bis wir in der ‚Stadt der Toten‘ angekommen sind.“
    „Und dann?“
    „Dann geben wir sie frei.“
    „Und haltet auch alles andere, was ihr versprochen habt?“
    „Alles! Ich weiß, woran du denkst. Wir haben euch versprochen, uns
nach Freigebung der beiden Aufrührer ohne allen Widerstand einsperren
zu lassen, wohin es euch beliebt. Wir haben euch dieses unser Wort
freiwillig gegeben; kein Mensch konnte uns dazu zwingen. Und genauso
freiwillig werden wir es auch halten. Wollten wir es brechen, so würde
das unserer Ehre solchen Menschen, wie ihr seid, gegenüber, nicht den
geringsten Abbruch tun. Wir könnten, von unsern Gefangenen gedeckt, von
hier fortreiten, ohne daß ihr imstande wäret, uns daran zu hindern;
aber wir pflegen selbst Schurken nicht um das Wort zu betrügen, welches
wir ihnen einmal gegeben haben, und so –“
    „Schurke?“ unterbrach er mich, indem sein Blick aufloderte. Er
schlug an seinen Säbel und fuhr fort: „Eigentlich sollte ich dich
sofort erstechen! Oder ich sollte auch dir einen Degen geben lassen, um
mit dir zu kämpfen, bis einer von uns beiden tot zusammenbricht. Aber
du bist in diesem Land fremd und kennst die Gründe nicht, die unser Tun
bestimmen. Der Mir war ein Tyrann, ja mehr als das, ein
Schreckensherrscher, eine Zuchtrute, die jedem weh tat, den er
berührte. Es sind nicht Tausende, sondern aber Tausende, die unter den
Streichen dieser Rute zugrunde gehen mußten. Unzählbar ist die Menge
aller derer, deren Kraft er gebrochen, deren Frieden er zerstört, deren
Glück er vernichtet und deren Elend er verschuldet hat! Es gibt keine
Qual, die er nicht ersann, keine Marter, die er nicht erprobt, und
keine Angst und Pein, die er nicht –“
    Ich halte hier in der Wiederholung seiner Rede inne, er aber tat
dies nicht; er sprach weiter, immer weiter. Und während er dies tat,
ergriff er mich beim Arme und zog mich weiter, bis hin zum Mir, um
diesem alle die scharfen Punkte, die er vorzubringen hatte, direkt in
das Gesicht zu schleudern. Er war ein Ehrenmann. Er sprach mit lauter
Stimme, so daß es weithin schallte, wohl über zehn Minuten lang. Er
schenkte dem Herrscher keinen einzigen Vorwurf, der gegen ihn zu
erheben war, und stand aufrecht, stolz und still vor ihm und schaute
ihm, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, ununterbrochen in

Weitere Kostenlose Bücher