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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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Laden mit niedriger Decke gleich nördlich der Houston Street, einem der letzten klassischen Italiener, der nach wie vor Spaghetti mit Fleischbällchen, überbackene Auberginen und Hähnchen-Cacciatore anbietet.
    »Dass du Donnerstagabend frei machst«, sagt Monty. »Klasse von dir. Wer passt auf?«
    »Kennelly kümmert sich drum.«
    »Kennelly? Der wird dir den ganzen Rum wegtrinken. Du vertraust den Laden Kennelly an?«
    »Sind ja bloß ein paar Stunden. Du hast gesagt, dass du dich noch mit ein paar Freunden triffst, da hab ich gedacht, bis zehn vielleicht...«
    »Zehn ist gut«, sagt Monty. Er knibbelt am Etikett ihrer Rotweinflasche. Die Bedienung, eine alte Frau mit einem Gesicht wie eine zerknitterte Papiertüte, nimmt ihre Bestellung auf. Sie trägt eine platinblonde Perücke und falsche Wimpern; als sie hört, was Monty gewählt hat, strahlt sie.
    »Gute Wahl«, sagt sie. Ihre Vorderzähne sind rot vom Lippenstift. »Kalbfleisch ist das Beste hier.« Sie schlurft davon, und Monty denkt: Sie ist längst tot , wenn ich das nächste Mal hierher komme.
    »Ich hab mich mal mit Sal unterhalten...«
    »Ach komm, Dad.«
    »Um zu schauen, ob er vielleicht helfen kann.«
    »Dad, komm, was redest du denn da? Sal? Der ist doch seit zwanzig Jahren weg vom Fenster.«»Er kennt vielleicht ein paar Leute da drin.«
    »Er ist so ungefähr hundert Jahre alt und spielt den ganzen Tag lang Romm£. Was soll er da für mich tun können?«
    »Er kennt immer noch ein paar Leute. Er könnte ein Wort...«
    »Dad, hörst du bitte auf damit? Ich werd schon klarkommen. Halt dich da einfach raus bitte. Ja?«
    »Du wirst immer noch jung sein, wenn du wieder rausdarfst. Ich weiß«, sagt Mr. Brogan und hebt die Hände, denn Monty schüttelt den Kopf. »Ich weiß, dass du das anders siehst. Aber hör mir zu. Du ziehst schön den Kopf ein da drin. Fängst keinen Ärger an...«
    »Schluss jetzt.« Monty starrt seine Hände an. Er will, dass sie zu zittern aufhören, aber er schafft es nicht.
    Als die Bedienung ihnen das Essen gebracht hat, schneidet Mr. Brogan die Spinatblätter auf seinem Teller sorgfältig in immer kleinere Stücke. Er hat seinem Sohn unbedingt etwas mitgeben wollen, ihm irgendwie Mut machen wollen, aber als er jetzt zusieht, wie der Junge etwas zu essen versucht, weiß er, dass es nutzlos ist. Es sind nur sieben fahre, wie sagt man das? Mr. Brogans Vater ist Zapfer gewesen; Mr. Brogan ist in Kneipen aufgewachsen und hat sein Leben lang in Kneipen gearbeitet, in üblen Läden manchmal, in denen ein falsches Wort zu einer Schlägerei oder Schlimmerem führen konnte. Aber er begreift, dass diese ganzen Erfahrungen nicht an das herankommen, was Monty nun bevorsteht, dass Monty zu einem fremden Land unterwegs ist, das Mr. Brogan nur aus Geschichten kennt.
    Mr. Brogan hat seine Kneipe als Kaution gestellt, als seine Garantie, dass Monty sich der Haft nicht entziehen wird. Wegen der Kneipe ist Monty seit Juni frei gewesen: frei bis zur Verhandlung, während der Verhandlung, nach der Urteilsverkündung, nach der Verkündung des Strafmaßes. Seit dreißig Jahren jetzt gehört diese Kneipe Mr. Brogan, aber manchmal wünscht er sich, Monty würde sich der Haft entziehen. Sollen sie den Laden doch kriegen, sollen sie doch versuchen, ihn zu Geld zu machen. Auf der Kante zwischen Bensonhurst und Bay Ridge gelegen, ist es eine Kiezkneipe ohne Kiez. Die meisten seiner Gäste arbeiten einen Block weiter im Krankenhaus oder in den Geschäften in der 86,h Street; sie kommen auf dem Heimweg bei ihm noch kurz einen trinken. Sie ist treu, seine Kundschaft, sie schätzt ihn und vertraut ihm, aber viel Geld hat sie nicht.
    »Das hätte nie passieren dürfen«, sagt Mr. Brogan und starrt auf sein Glas Mineralwasser.
    »Bitte lass uns nicht wieder damit anfangen. Dafür ist es ein bisschen spät.«
    »Ich weiß«, sagt Mr. Brogan. »Ich weiß es, und es tut mir Leid, Monty. Ich hätte dich da nie hineingeraten lassen dürfen.«
    Monty trommelt mit den Knöcheln auf die Tischplatte. »Hey. Hör auf damit. Du hattest nichts damit zu tun, ja? Fang jetzt nicht wieder damit an.«
    »Ich wünschte einfach, wir hätten darüber reden können. Du hättest dermaßen viel Geld mit etwas Anständigem machen können; du hattest das gar nicht nötig... Du hättest da nie hineingeraten dürfen.«
    Aber auf Geld allein ist Monty nie aus gewesen. Er ist nicht in Armut aufgewachsen, und er ist nicht geldgierig gewesen; er stand auf schnelle Autos und italienische

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