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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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abstoßende Elektronen.
    Aber dann fährt ihm eine Zungenspitze über die Ohrmuschel, und er hört, wie jemand seinen Namen flüstert, mit einer Stimme, die sich nicht anonymisieren lässt. Jakey, kommt das Flüstern. Jakey.
    Er lässt die Augen noch einen Moment zu und wünscht sich, die Flüsterin wäre nur geträumt, aber sie verschwindet nicht; ihre Zunge, ihre Nägel, ihre Stimme bleiben da. Er öffnet die Augen und sieht Mary D'Annunzio rittlings auf sich sitzen, ein Knie auf jeder Seite seines Schoßes. Sie schaut ihn an aus ihren haselnussbraunen Augen, unter seiner Yankees- Mütze hervor. Ihn überkommt ein starker Drang, auf diese ganzen Regeln und Vorschriften zu scheißen, aber er kriegt gerade noch rechtzeitig die Kurve, mit einem unangenehmen Ruck.
    »Wuah, was machst du da? Mary, geh runter von mir.«
    Mary zuckt die Schultern und lässt sich auf die roten Samtkissen fallen, die schwarzen Doc Martens immer noch auf Jakobs Schenkeln. »Keine Panik. Das interessiert doch keinen hier.«
    »Mich interessiert es«, sagt er und schiebt ihre Füße weg. »Was soll das heißen, das interessiert keinen? Hast du eine Ahnung, was passiert, wenn mich — uns — jemand so sieht?«
    Aber sie hat Recht, niemand hier scheint etwas bemerkt zu haben. Die drei Frauen tanzen immer noch um ihre Handtaschen herum, die Männer streiten sich immer noch laut, gestikulieren mit ihren Zigaretten, Daphne manövriert immer noch ihr Tablett mit Cocktails durch das Gedränge.
    Mary, die auf dem Rücken liegt und die Füße über den Rand des Sofas baumeln lässt, sieht sich das Gedränge ebenfalls an. »Weißt du was? Ich hab das Gefühl, dass der Lehrkörper der Campbell-Sawyer nicht sonderlich oft im VIP- Raum des VelVet anzutreffen ist.«
    Jakob setzt sich auf, rollt die Hemdsärmel herunter, knöpft sie zu. »Ich bin hier, richtig? Das weiß man nie.«
    »Ich hab grad jemanden in die Eier getreten. Jetzt liegt er da und kotzt.«
    »Hast du? Wie nett.« Jakob beugt sich vor und massiert sich die Schläfen. »Mary?«
    »Was?«
    »Warum hast du grad jemanden in die Eier getreten?«
    Bei der Erinnerung muss sie grinsen. »Ich hab mit ihm getanzt, und auf einmal hat er beschlossen, mir seine Hand in die Hose zu stecken. Er hat sie mir praktisch in den Arsch geschoben. Was sollte ich also machen?«
    Die markige Beschreibung dieser fremden Hand in ihrer Hose nimmt in Jakobs Kopf irritierend lebendige Formen an. Er versucht, das Bild zu verdrängen, aber er schafft es nicht; er sieht dicke Finger hinter den Bund der schwarzen Jeans gleiten und sich in die weißen Rundungen darunter krallen.
    »Er rollt da auf dem Boden rum und sagt, dass er mich umbringen wird, und beschreibt, wie er mich umbringen wird, also ist Naturelle los und hat einen Rausschmeißer geholt und zack, war er draußen. Naturelle ist dicke mit den Rausschmeißern. Total krass, die Frau. Und dann erst dieser Name, toll! Na-tur-elle! Natur pur. Ohne künstliche Aromastoffe!«
    »Ja, ganz große Klasse, und sie hat diese Witze auch noch nie gehört. Da könntest du sie wirklich mit amüsieren.« Er starrt Marys Brust an. Tweety erwidert sein Starren alarmiert.
    »Was ist ihr Freund eigentlich? Sieht so aus, als gehöre ihm der Laden.«
    »Hör mal, Mary, hältst du es für möglich, in der Schule nicht über heut Nacht zu reden?«
    »Ja, das halte ich für möglich.«
    »Das wäre wirklich gut«, sagt Jakob. »Ich glaube, das wäre wirklich das Klügste für uns beide.«
    »Hältst du es für möglich, mir für meine Arbeit eine Eins zu geben?«
    Jakob starrt ihr auf die wie blaugeschlagen geschminkten Augen, auf die schlaffen schwarzen Haare. »Sag mir, dass das ein Scherz ist.«
    »Das ist ein Scherz, Mister Elinsky. Weißt du, was mein Lieblingswort ist? Ohnmacht. Ich liebe dieses Wort. Ohnmacht. Ich bin noch nie in Ohnmacht gefallen. Würd ich gern mal, wirklich. Einfach in Ohnmacht fallen, und ein hübscher Typ fängt mich auf.«
    »Ah, ja. Dann sind wir uns also einig, kein Gerede über heute Nacht?«
    Mary lächelt und schließt die Augen. »Das gefällt mir immer so an dir, Elinsky.«
    »Was gefällt dir immer so an mir?«
    Mary öffnet die Augen. »Ich weiß nicht mehr. Worüber haben wir gerade gesprochen?«
    »Ist ja auch egal.«
    »Dusk bringt's total. Stimmt7s? Hallo? Elinsky? Findest du, dass ich komisch drauf bin?«
    »Nein«, sagt Jakob. »Ich finde, dass du manchmal gern Grenzen austestest, aber komisch drauf finde ich dich nicht. Du bist...«, Jakob

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