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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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den Raum verlassen. Drei Männer, denkt er. Alle haben sie körperliche Kraft, Präsenz; man geht mit diesen dreien irgendwo hin und fühlt sich sicher, beschützt. Jakob hat als Kind immer geglaubt, er würde eines Tages groß sein. Sein Vater ist groß gewachsen; sein älterer Bruder war im Ruderteam von Syracuse. Sogar seine kleine Schwester ist zwei Zentimeter größer als er. Was soll das für ein Mann sein, der kleiner als seine kleine Schwester ist?
    Wie sieht die D'Annunzio wohl aus beim Tanzen?, fragt Jakob sich. Tanzt sie mit irgendeinem Jungen oder mit Naturelle? Mary D'Annunzio und Naturelle Rosario zusammen»Bis gleich.«
    Kostya klopft ihm auf den Rücken und geht. Monty sieht Slattery an, folgt dem Blick seines Freundes zu einer Ecke der Tanzfläche und entdeckt Naturelle und Mary in einer Traube von schwitzenden Leibern.
    »Silber steht ihr gut«, sagt Monty gerade so laut, dass sein Freund ihn hören kann. »Findest du nicht auch?«
    Slattery richtet sich auf, als hätte ihn jemand von hinten angetippt. »Wem, Nat?«
    »Sie ist wunderschön. Sie ist die einzige Frau - das hab ich dir aber schon mal erzählt, stimmt's? - Naturelle ist die einzige Frau, über die ich auch noch herumfantasiere, nachdem wir miteinander geschlafen haben. Ist immer noch so. Manchmal sitz ich in der U-Bahn und kann an nichts anderes denken als daran, nach Hause zu kommen und sie aus ihren Klamotten zu kriegen. Ist wahrscheinlich ganz normal so.«
    »Wahrscheinlich«, sagt Slattery. »Ganz normale Sache, das.«
    Monty sieht ihr zu. Sie ist total selbstbewusst auf der Tanzfläche. Sie bewegt sich gut, und sie weiß, dass sie sich gut bewegt; die Musik überspringt Takte und ändert den Rhythmus, aber Naturelle kommt nie raus.
    »Wie läuft's auf der Arbeit?«
    Slattery schüttelt den Kopf und zeigt auf sein Ohr. Monty wiederholt die Frage, lauter.
    Slattery nickt. »Gut. Heute Morgen war der reinste Hammer.« Er wartet, dass Monty ihn fragt, aber Monty fragt ihn nicht, also sagt Slattery: »Ich hab in neun Minuten zwei Millionen Dollar gemacht. Das dürfte fast der Rekord sein. Gibt nicht allzu viele Siebenundzwanzigjährige, die mit dermaßen viel Geld rummachen.«
    Monty sieht zu, wie ein muskulöser Weißer mit freiem Oberkörper und völlig zutätowierten Armen sich seinen Weg zu Naturelle bahnt und mit ihr zu tanzen anfängt. »Und was davon bleibt für dich übrig?«
    »Wie, du meinst als Provision? Es gibt keine Provision» so läuft das nicht.«
    »Zwei Millionen für die Typen meint also nicht einen Dollar für dich?« Der Mann mit dem freien Oberkörper beugt sich vor und sagt etwas zu Naturelle. Sie zuckt die Schultern und dreht sich weg.
    »Das läuft alles über den Bonus«, sagt Slattery. »Je mehr Geld ich für die Bank mache, desto mehr Geld mache ich für mich. Das nennt sich Kapitalismus, glaub ich. Scheint ganz gut zu funktionieren.«
    Zwei junge Männer kommen den Balkon entlang. Als sie Monty erkennen, klopfen sie ihm auf den Rücken und rufen ihm etwas ins Ohr. Beide haben sie teure Anzüge an, keine Krawatten, die Hemden offen, dicke Goldketten um den Hals. Slattery sieht den Tanzenden zu. Nun sagt der Tätowierte etwas zu Mary. Mary packt ihn beim Gürtel und fängt an, ihm die Hüften gegen das Becken zu stoßen.
    »Noch sechs Monate«, sagt Monty, nachdem seine Freunde gegangen sind.
    »Sprich lauter!«, ruft Slattery, und Monty nickt.
    »Noch sechs Monate, und ich wär zu dir gekommen und hätte gesagt: Guck mal, meine Kohle, was tu ich jetzt damit? Hätte dich machen lassen. Ein paar Aktien gekauft und aufgehört. Und zugeschaut, wie das Geld sich vermehrt. Sechs Monate noch. Ich bin zu gierig geworden. Das ist passiert. Ich bin zu gierig geworden, und dann hatten sie mich am Arsch.«
    »Komm, hör auf, dir darüber Gedanken zu machen.«
    »Quatsch. Ich kann überhaupt nicht aufhören, mir darüber Gedanken zu machen. Ich sag dir was, Frank«, entgegnet Monty leise. Slattery muss sich zu ihm hinüberbeugen, damit er etwas mitbekommt. »Ich überstehe das nicht. Ich hab mich immer für einen harten Burschen gehalten, ich hab immer gedacht, dass ich's mit jedem aufnehmen kann, aber das ist lachhaft. Ich werd's nicht überstehen. Da drin sind tausend Typen, die härter drauf sind als ich, und die werden mich fertig machen, die werden nichts von mir übriglassen. Schau mich an! Ich seh gut aus und bin weiß. Ich übersteh doch keine sieben Jahre da drin.«
    »Doch, das wirst du. Dir wird nichts anderes

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