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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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knallrot.
    Naturelle steht auf und glättet ihr silberfarbenes Kleid. »Wenn du Monty siehst, sag ihm, ich bin zu Hause. Sag ihm, ich warte dort auf ihn. Und, Frank, falls du dich morgen noch an dieses Gespräch erinnerst, falls du den Drang verspürst, mir Blumen zu schicken oder mich anzurufen und dich bei mir zu entschuldigen - lass es bleiben.«
    Slattery sieht zu, wie sie geht. Er sieht zu den Männern mit den Dreadlocks hinüber, die sich auf ihr unmögliches Schachspiel konzentrieren. Er sieht auf seine Hände hinab, die er offen im Schoß liegen hat, auf seine fleischigen Hände mit den krummen Fingern. So ist es besser, sagt er sich. So komm ich nicht in Versuchung.

19
    Würde man einen Menschen aus dem Mittelalter hierher in diesen Club befördern, denkt Jakob, er wäre fest davon überzeugt, in die Hölle gefahren zu sein, mitten zwischen eine sich wiegende Horde irregeleiteter Seelen, die die Tanzfläche mit ihrem Schweiß tränken, Männlein und Weiblein und Weiblein und Männlein, keine Paare, hier tanzt jeder mit jedem oder jeder für sich allein.
    Wir sind in der Hölle, denkt Jakob. Der große böse Kuss hat ihn ernüchtert und ihm einen sofortigen Kater beschert, seine Zunge ist trocken und schwer, sein Magen übersäuert, sein Schädel pulst übel im Rhythmus des Basslaufs von D. J. Dusk. Er muss mit jemandem reden, jemandem sein Verbrechen gestehen, sich mit jemandem etwas einfallen lassen, aber er weiß genau, dass ihm hierbei niemand helfen kann. Slattery wird gar nicht erst zuhören, wird bestenfalls lachen und einen Witz draus machen. Monty wird fragen, wo das Problem ist. Naturelle? Naturelle wird mich für einen Perversling halten. Und warum sollten sie sich überhaupt dafür interessieren? Sie haben sich über Wichtigeres den Kopf zu zerbrechen als einen blöden, bescheuerten Kuss.
    Er fragt einen Rausschmeißer, wo die Telefone sind, und der Riese nimmt, ohne Jakob auch nur anzusehen, die Arme herunter, zeigt vage in eine Richtung, verschränkt die Arme wieder. Jakob findet die Telefone schließlich in einem schmalen Gang gegenüber der Toilette, die mit XX bezeichnet ist, ein cleverer Gag, den er normaler Weise als enervierend empfunden hätte, nun aber kaum wahrnimmt. Davor eine Schlange Frauen, die ihren Beinen meist eine Pause gönnen; sie sitzen an die Wand gelehnt da und inspizieren die Glut ihrer Zigaretten.
    Jakob greift zum nächstbesten Telefon und zuckt zusammen, als das chromumhüllte Kabel sich löst und herunterbaumelt wie eine durchtrennte Nabelschnur. Er hängt den Hörer vorsichtig wieder ein und geht zum nächsten Telefon, wirft fünfzig Cent ein, wählt eine Nummer in Brooklyn.
    Nach dem elften Klingeln hebt LoBianco ab. Der einzige Mensch, den Jakob kennt, der sich noch keinen Anrufbeantworter zugelegt hat.
    »Anthony? Ich bin's, Jakob. Hast du geschlafen?«
    »Mein großer Freund Shane läuft gerade. Ich hab diesen Film bestimmt schon vierzig Mal gesehen, aber er erwischt mich immer wieder. Alan Ladd war schon ein kleiner Mollie, hm? Hatte ein bisschen was auf den Rippen. Andere Zeiten. Da wollten die Frauen noch, dass an ihren Männern was dran ist. Weißt du, was mir auffällt diesmal? Jack Palance ist der eigentliche Star. Schau dir diese Augen an. Gibt keine Schlange, die solche Schlangenaugen hat.«
    »Ich muss wirklich mit dir reden.«
    »Du redest doch mit mir. Das tun wir gerade. Wir reden miteinander.«
    Jakob schaut zu den Frauen hinüber, erschöpfte Verdächtige, die darauf warten, von einem Zeugen hinter einseitig durchsichtigem Glas unter die Lupe genommen zu werden. »Ich habe gerade etwas absolut Bescheuertes gemacht. Kannst du mal einen Augenblick zuhören? Bist du betrunken?«
    »Was hast du angestellt?«, fragt LoBianco plötzlich ganz aufmerksam. »Habe ich dich inspiriert? Bist du zum anderen Ufer gewechselt?«
    »Was?«
    »Lass mich raten. Es geht um einen Kuss.«
    Jakob legt die Stirn an die Plastiktrennwand zwischen den Telefonen. »Ja.«
    »Oh-ho, oh-ho, also wenn das kein Grund zum Feiern ist, mein Lieber. Da hab ich schon ein kleines Lob verdient, oder? Für den Ansporn. Den kleinen Schubser. Manchmal braucht man eben einen kleinen Schubser in die richtige Richtung. Ist wie beim ersten Sprung ins Tiefe; da braucht man seinen Vater bei, da braucht man jemanden, der einen anspomt. Wer war der Bursche, hm? Wo hast du ihn kennen gelernt?«
    »Wovon redest du da? Ich hab Mary D'Annunzio geküsst.«
    »Mary D'Annunzio?«
    »Ich bin in einem Club,

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