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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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und ich war betrunken, und sie ist betrunken oder bekifft oder sonst was, und... alles klar? Ich hab sie geküsst. Ich hab Mary D'Annunzio geküsst.«
    »Wen?«
    »D'Annunzio! Herrgott, Anthony, du hast sie im Herbst unterrichtet. Mary D'Annunzio!«
    »Die kleine schwarzhaarige Schauspielerin? Ah. Na ja, ist eine ziemlich umständliche Art, ans Ziel zu gelangen, aber wenn es denn klappt.«
    »Anthony, hörst du überhaupt zu? Ich hab eine meiner Schülerinnen geküsst!«
    »Auf die Wange? Ein tugendhaftes Küsschen auf die Wange?«
    »Mit Zunge. Und vielleicht hab ich ihr auch an die Brust gefasst.«
    Jakob sieht auf und muss feststellen, dass die wartenden Frauen ihm aufmerksam zuhören.
    Ein Mädchen mit roten Zöpfen lässt die Augenbrauen tanzen. »Junge-Junge«, sagt es.
    Jakob dreht den Frauen den Rücken zu. »Anthony?«, flüstert er.
    »Also weißt du, so etwas tut man eigentlich nicht«, sagt LoBianco.
    »Ja, vielen Dank, dessen bin ich mir durchaus bewusst.«
    »Ich würde jetzt nicht in Panik geraten. Sie wird dich nicht verpfeifen, dazu ist sie nicht der Typ. Das würde gegen ihren gesamten Ethos verstoßen. Sie hat Feuer, die Kleine, sie liest Guevaras Partisanenkrieg, da schwärzt sie dich doch nicht bei der Obrigkeit an.«
    »Das ist... keine Ahnung. Ich fass es nicht, dass ich das getan habe.«
    »Warte mal eben, das Eis ist geschmolzen.«
    Jakob wirft einen verstohlenen Blick nach hinten, und das Mädchen mit den Zöpfen grinst ihn an. Er vergräbt das Gesicht in seinem Hemd und lauscht den Geräuschen der Schießerei in LoBiancos Fernseher.
    »Noch da, mein Lieber? Ah, so viel zu Palance. Aber schnell war er schon. Hat Ladd mit einer 45er erwischt, bloß dass Ladd zu viel Mann für eine Kugel ist. Uups. Guck sich das einer an. Weißt du, was das Gute an Wodka ist, Jakob? Er gibt keine Flecken. So, wir können.«
    »Was soll ich jetzt machen? Mit ihr reden? Mich entschuldigen? So tun, als wäre überhaupt nichts geschehen?«
    »Ja ja, die Frauen. Hat man nur Ärger mit. Mein Vater war ein großer Playboy, hat die Frauen immer geliebt. Und was hat ihm das eingebracht? Meine Mutter. Und dann mich. Geschieht ihm Recht, diesem Scheißkerl.«
    Jakob stößt den Kopf gegen die Trennwand und wartet, hält den Hörer dabei nach unten. Schließlich nimmt er den Hörer wieder hoch und sagt mit so viel Geduld wie er nur aufbringen kann: »Anthony, bitte.«
    »Aber eines muss man ihm zugute halten: seine Zeugungskraft war enorm. Er brauchte bloß den Hosenschlitz aufzumachen, und schon hatte er wieder eine geschwängert. Hier in der Gegend heißt es, dass die fünf Boroughs nur so wimmeln von unehelichen LoBiancos. Angeblich hab ich sogar einen Mulattenbruder in Fiatbush.«
    »Das Wort Mulatte benutzt heute niemand mehr.«
    »Nein? Halbblut? Naja, nichtsdestotrotz haben ihn diese ganzen Liebeleien nirgendwo hingeführt. Er hat ein Mädel zu viel bestiegen, und das war's dann. Irgendwas ist ihm geplatzt im Hirn. Seine letzten sechs Monate lang hat er nur noch vor sich hin gesabbert, und meine Mutter hat derweil in der Ecke gesessen und gestrickt. Die besten Pullover, die sie je gemacht hat. Da waren wir nun, er am Sabbern, sie am Stricken, Antonio auf dem Klo am Onanieren. Die reinste Bilderbuchfamilie. Sechs Monate hat Dad gebraucht, bis er es hinbekam, bis er es geschafft hat. Er ist groß gewesen. Das Bett hat immer klein ausgesehen, wenn mein Vater drin gelegen hat. Aber nach dem Schlaganfall wurde das Bett immer größer, und schließlich hat es ihn verschluckt.«
    »Das tut mir Leid«, sagt Jakob. »Ich...«
    »Und dann war er tot. Ein kleiner toter Mann in der Haut eines Riesen. Ich werde sterben, und ein halbes Jahr später werden sie ein Mittel gegen den Tod gefunden haben. Ich hab was drüber gelesen. Sie lassen einen dieses Sperma trinken, und in dem Sperma sind zehn Millionen Roboter von Zellgröße. Und die Roboter sausen dann überall im Körper herum und machen alles fertig, was da nicht hingehört. Dauert nicht mehr lange, Jakob. Sie werden alle Versuchskaninchen der Welt umgebracht haben, bis das Sperma richtig funktioniert. Aber wenn man irgendjemandes Tochter damit retten kann, und es geht immer um irgendjemandes Tochter, dann scheiß auf die Kaninchen. Sollen sie sich doch Daumen wachsen lassen und einen Krieg mit uns anfangen.«
    »Hör mal...«
    »Ich schweife ständig ab, nicht wahr? Das ist mein Problem. Ich kann nicht geradlinig erzählen. Mein Vater, wir waren bei meinem Vater. Eine

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