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253 - Das Terror-Gen

253 - Das Terror-Gen

Titel: 253 - Das Terror-Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Winter, den Guernsey in den letzten zwanzig Jahren erlebt hatte. Nach den heftigen Schneefällen im Januar überzog nun klirrende Kälte die Insel. In Sainpeert verließen die Menschen nur noch selten ihre Häuser. Der Marktplatz war wie leergefegt und die Werft geschlossen. Selbst im Kasernenhof des Lordkanzlers war es still geworden. In den Dörfern im Hinterland hatten sich die Bewohner an die Herdfeuer ihrer Hütten zurückgezogen. Sie nutzten die Zeit, um ihre Vorräte zu zählen, Kleidung auszubessern und Kinder zu zeugen. Und alle sehnten sich nach dem Frühling.
    Nur Joonah und sein Schamane hofften, dass der Winter noch lange anhalten würde. Sie verkündigten ihn als Ratschluss der Götter, der ihnen helfen sollte, sich ein für alle Mal von der teuflischen Nachbarschaft zu befreien. Diese Ungläubigen, die die anderen Dörfer gegen ihren Stamm aufhetzten, die Braham seiner einstigen Patienten beraubten und die Häuptlingstochter dazu brachten, eine Axt zu tragen. Die sich verbündet hatten mit dem Lordkanzler und die ihr Machtgebiet bald über die Grenzen der Klippen ausdehnen würden. »Es werden noch mehr von ihnen kommen«, prophezeite der Schamane. »Tod und Verderben werden sie über uns bringen.«
    Von all dem ahnten die Bunkerleute auf den Klippen nichts. Seit Tagen waren sie von der Außenwelt abgeschnitten und nutzten die Ruhe, um den alten Wachturm von Unrat zu befreien. Die oberen Etagen sollten als Lagerräume dienen, die unteren sollten zu einem Hospital ausgebaut werden. Für diese und andere Arbeiten erhielten sie tatkräftige Unterstützung von zwei Familien aus den umliegenden Dörfern, die sich inzwischen mit einer Schar Kinder ihrer Gemeinschaft angeschlossen hatten und im fertig gestellten Gästehaus lebten.
    Insgesamt war die Stimmung in der Technosiedlung so gut wie lange nicht mehr. Der Platz um den Wachturm war erfüllt von lachenden Kinderstimmen. Das Verhältnis zwischen Sir Leonard und den anderen Mitgliedern der Community hatte sich entspannt und von Häuptling Joonah und seinen Kriegern war seit Tagen nichts mehr zu sehen. Endlich konnte man sich ausgiebig um das Klippendorf kümmern. Für Wintervorräte war gesorgt, und das Trinkwasser lieferte der kleine See, in dessen Eisdecke täglich ein Loch offen gehalten wurde. Einziger Wermutstropfen war das Feuerholz, das langsam zur Neige ging.
    Eines Morgens machten sich Cinderella Loomer, Ibrahim Fahka und zwei Männern aus dem Gästehaus auf, um Holz zu schlagen. Doch vergeblich! Hinter dem Zugang zur Küstenstraße hin verstellten ihnen Braham und rund zwei Dutzend Barbaren den Weg. Sie hatten Kriegsbemalung aufgelegt und waren bis an die Zähne bewaffnet. Der hagere Schamane kam den Ankömmlingen einige Schritte entgegen. Dann blieb er stehen. Ohne jede Vorwarnung riss er einen Arm in die Höhe und begann in gleichmäßigen Bewegungen eine aufgeblähte Wisaaublase über seinen Kopf zu schwingen. »Kein Holz für die Verfluchten. Kein Holz für die Verfluchten«, plärrte er in einem grauenhaften Singsang.
    Während ihre beiden Begleiter aus den Dörfern erschreckt zurückwichen, wechselten Fahka und die Loomer viel sagende Blicke. »Ich denke, wir sollten die Lady und Gabriel informieren«, flüsterte Ibrahim.
    »Na klar«, stimmte ihm Cinderella grimmig zu. Doch anstatt Fahka zu folgen, zog sie ihr Kurzschwert. Mit einem gezielten Hieb durchbohrte sie die Wisaaublase. »Den Krach hält doch kein Mensch aus.« Als ob nichts geschehen wäre, steckte sie ihre Waffe zurück in den Gürtel und kehrte dem schlagartig verstummten Schamanen den Rücken.
    Gleichermaßen entsetzt und zornig über die mutwillige Zerstörung seines Ritualinstruments richtete Braham seinen knochigen Finger auf die Pilotin. »Tötet die schwarze Hexe!«, brüllte er.
    Augenblicklich hefteten sich ein halbes Dutzend Barbaren mit wildem Geschrei an Loomers Fersen. Wahrscheinlich wäre die Sache für Cinderella schlecht ausgegangen, wenn sich nicht plötzlich Häuptling Joonah zwischen sie und seine Männer gestellt hätte. »Zurück!«, rief er mit lauter Stimme. Sein großer, stämmiger Körper war bis unter die Nasenspitze in ein Wakudafell gehüllt. An seinen Haarzöpfen hingen kleine Eistropfen und seine Lippen waren so blau wie die Tätowierungen in seinem Gesicht. Den Blick auf die Pilotin gerichtet, hob er seine Arme gen Himmel. »Die Götter sind meine Zeugen. An dem Tag, an dem die Erde ihr weißes Kleid ablegt, wird auch der Letzte der Eindringlinge

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