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255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Ein Raum, der ganz in der Tradition des Baustils gehalten war und dessen wenige Möbel allesamt aussahen, als wären sie irgendwann zerschmettert und anschließend wieder mehr schlecht als recht zusammengesetzt worden.
    »Narren!« Die Stimme fräste sich durch die Luft und erreichte die Adressaten.
    Kopfschüttelnd blickte Matt an dem Mann vorbei, der ihnen in einem breiten Lehnstuhl sitzend den Rücken zukehrte, hin zu Damian. Leicht verlegen grinste der im Widerschein des Feuers, sagte aber nichts. Vielleicht wusste er, dass dem mürrischen Ausruf noch mehr folgen würde. Und tatsächlich erhob der Mann im Stuhl erneut die Stimme und krächzte: »Kommt schon. Bleibt nicht wie angewurzelt stehen. Ich bin kein Ungeheuer. Ich mag nur keine Gesellschaft. Aber jetzt hat er euch angeschleppt, dann kommt auch. Setzt euch ans Feuer. Der Junge wird euch etwas zu essen geben. Schlafen könnt ihr auf dem Boden. Es gibt hier keinen Luxus, falls ihr das erwartet habt.«
    Noch während er sprach, trat Aruula ein. Sie brachte eine heftige und eisige Böe mit herein und hatte sichtlich Mühe, die Tür ins Schloss zu wuchten und den Riegel vorzuschieben. Matt bedeutete ihr und Rulfan, ihm zu folgen, und langsam traten sie rechts und links des Sitzenden ans Feuer.
    Der Geruch war typisch für ein Torffeuer und füllte den Raum mit schwerem Aroma. Damian löste sich von der Seite des Hausbewohners und trat zu einem Tisch, auf dem allerlei Utensilien und Lebensmittel lagen. Offenbar begann er mit der Zubereitung eines Mahls - und verblüffte abermals durch die traumwandlerische Sicherheit, mit der er auf den Millimeter genau zu wissen schien, wo sich was befand.
    Noch während Matts Blick auf Damian ruhte, fuhr der Stuhl samt dem, der darauf hockte, herum, sodass sich Matt unversehens taxierenden Blicken ausgesetzt sah. Ein Bürostuhl! So etwas sah man nicht mehr oft in diesen Zeiten.
    »Wie gesagt: Ihr müsst Narren sein«, polterte der Mann weiter. »Vorausgesetzt, ihr seid freiwillig in diese Bruchbude gekommen. Niemand bei Verstand käme freiwillig her. Das seid ihr doch: freiwillig gekommen?« Seine Stimme wurde lauernd. »Oder hat sie euch geschickt?«
    »Sie?«
    »Die Winterhexe!« Er spie das letzte Wort förmlich aus.
    Damian am Tisch erstarrte. Es war das erste Mal, dass Matt ihn zusammenzucken und in irgendeiner Weise furchtsam reagieren sah.
    » Winterhexe? «, echote Rulfan. Er lachte kurz. »Wer glaubt schon an Hexen? Das tun nur Narren!«
    Matt hielt den Atem an. Wollte sein Blutsbruder den Mann provozieren?
    Doch statt zu explodieren, verfiel der Dörfler in grölendes Gelächter - was wiederum Damian zu einem Kommentar bewegte. »Hab ich's nicht gesagt?«, kiekste er, ohne sich umzudrehen. »Ben Coogan bellt, aber er beißt nicht. Jedenfalls keinen, der es nicht verdient hätte. Aber ihr seid in Ordnung, das hab ich ihm gesagt. Und er vertraut meinem Urteil.«
    »Ja, das tue ich«, bestätigte der bärbeißige Hüne. »Also kommt, setzt euch neben meinen Stuhl. Der Boden ist hart, aber ich habe Decken.« Er zeigte zu einer Truhe neben dem Kamin - neben Tisch und Stuhl eines der wenigen Nutzmöbel. »Holt euch welche. Hier drin wird es gemütlich warm. Es stinkt ein bisschen, ich weiß, aber immer noch besser, als draußen zu frieren.«
    »Du heißt also Ben Coogan?«, fragte Matt, nachdem er, wie die anderen, der Aufforderung Folge geleistet und sich auf eine Wolldecke neben ihn gesetzt hatte.
    »Nennt mich Ben.«
    Matt stellte seine Begleiter und sich selbst vor. Auch Chira. Die Lupa mit dem geschienten Vorderlauf schien Coogans besonderen Gefallen zu finden. »Schönes Tier. Gibt auch in der Gegend welche. Aber denen geht besser aus dem Weg. Haben alle was mit der Hexe zu tun, der verdammten Furie!«
    Matt musste plötzlich an die Frau denken, die sie im Wald getroffen hatte. War sie etwa…? »Diese Hexe«, sagte er, »tritt sie vielleicht als Kräuterweib auf? Dann wäre wir ihr nämlich tatsächlich begegnet.« Er beschrieb die grauhaarige Frau im ärmellosen Leinenkleid. »Sie wollte uns ihren Namen nicht nennen. Aber sie hat uns den Weg nach Durbayn gezeigt.«
    »Das muss Ayliise gewesen sein«, sagte Coogan. »Lebte früher selbst hier im Dorf. Bis sie von einem Tag auf den anderen… nun, seltsam wurde. Seither haust sie in einer Höhle ganz in der Nähe und kommt nur noch her, wenn sie Kräuter, Pilze, Vogeleier und dergleichen gegen andere Lebensmittel eintauscht. Wahrlich seltsam und verschroben ist sie

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