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2579 - Der Spieler und die Toten

2579 - Der Spieler und die Toten

Titel: 2579 - Der Spieler und die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc A. Herren
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Uns, dass Ihr Uns gegenüber nicht im Zorn verharrt. Und ja - für einen Moment

habt Ihr in Uns mehr gesehen, als Wir je bereit gewesen sind zu zeigen.«
    PRINZESSIN: »Wenn wir schon bei den Geständnissen sind: Es hat mir sehr

gefallen, was ich sah.«
    BOTE: »Eben noch voller Angst und Schrecken, macht Unser Herzen ein freudiger

Sprung! Gibt es eine Möglichkeit, wie Wir Euch Unsere Dienste anbieten können?«
    PRINZESSIN, lächelnd: »Oh, ich bin sicher, uns fällt etwas Passendes ein.«
    Das mahnende Schauspiel vom See der Tränen, 3. Akt, 3. Szene (Auszug)
     

6.
    Im Kaleidoskop der Pararealiäten
     
    Vom Bruchteil einer Sekunde zum anderen veränderte sich die Situation so grundlegend, als

hätte jemand in einem Bildband eine neue Seite aufgeschlagen.
    Alaska Saedelaere fand sich in der Halle der Harmonie wieder.
    Er sah an dem halb zerstörten Gemäuer hoch, erblickte den letzten der mächtigen Löwenflügler,

der auf seinem Sims saß und seine langen, ledrigen Schwingen herunterhängen ließ. Der

drachenähnlich geschuppte Schwanz zuckte in unregelmäßigen Abständen.
    Das Würdetier wachte im Halbschlaf über den König.
    Die restlichen elf Simse waren leer; an einigen klebte Blut.
    Saedelaere erinnerte sich, bereits einmal in der Halle der Harmonie gewesen zu sein; vor

undenkbaren Zeiten.
    Damals hatte er das stolze Gebäude allerdings nur als Kulisse im mahnenden Schauspiel gesehen.

Dafür hatte er es in seiner vollen Pracht erleben können.
    Nun war er zum ersten Mal persönlich anwesend - und die Halle nur mehr eine ekelhaft stinkende

Ruine.
    Der Maskenträger blickte an sich hinunter. Er trug die elegante schwarze Kleidung eines

Grafen. Die Absätze der schmalen Stiefel versanken im fingerdicken Teppich, der zum Thron führte.

An einigen Stellen stiegen dünne Rauchfäden aus dem Teppich.
    Fliegende Funken aus den brennenden Wäldern hatten sich darin niedergelassen und glommen so

lange, bis sie entweder erloschen oder aber zur hungrigen Flamme erstarkten.
    Ein einarmiger Diener eilte mit einem Besen umher, um die Halle notdürftig vom Staub und Dreck

zu befreien. Eine Sisyphusarbeit, da von draußen mehr Rußfetzen hereinflogen, als er wegwischen

konnte.
    Gleichzeitig war es ein pietätloser und völlig widersinniger Akt, wie der Terraner beim

Anblick der mit dünnen Tüchern bedeckten Leichen von Mitgliedern des Hofstaates bemerkte.
    Offenbar versuchte der König einen letzten Rest majestätischer Würde zu bewahren - und führte

den Versuch gleich selbst ad absurdum.
    Der Gestank des verwesenden Fleisches war bestialisch. Saedelaere wünschte sich, der Stoff der

Maske hätte an der Nase keine Öffnungen.
    Die anderen Löwenflügler waren gleich beim ersten Angriff getötet worden, als sie den

Angriffsdrohnen mit ihren bloßen Klauen und Reißzähnen entgegengeflogen waren.
    Jahrzehntausendelang hatten sie die Königinnen und Könige des Reiches der Harmonie überwacht

und sie mit ihrem Glück gesegnet - innerhalb weniger Sekundenbruchteilen waren sie in den

Thermostrahlen der Angreifer verbrannt und umgekommen.
    Nun lagen sie draußen. Ihre Kadaver verrotteten unter den unerbittlichen Zwillingssonnen und

lockten Aasfresser vom halben Kontinent herbei.
    Alaska Saedelaere nahm einen weiten Schritt, um nicht auf eine abgetrennte Hand zu treten, die

auf dem Teppich lag.
    Unbewusst griff er sich an den Hinterkopf und überprüfte den Knoten, mit dem er das Maskentuch

befestigt hatte. Der Degen schwang bei jedem Schritt an seiner linken Hüfte.
    »Majestät!«, rief er dem König entgegen.
    Er dachte kurz an das Gespräch zweier Ammen, das er gehört hatte, während er vor dem Tor

wartete. Sie hatten darüber gemunkelt, dass der alte Regent vor lauter Gram den Verstand verloren

hatte, nachdem seine Tochter bei einem Angriff ums Leben gekommen war.
    »Was willst du hier?«, rief der König. Er erhob sich, zeigte zornig mit seinem Zepter auf

Saedelaere. »Solltest du nicht draußen sein, deinen Flugsaurier satteln, dem Gegner

entgegenfliegen?«
    Der Thron stand leicht erhöht auf einem mit Gold und Edelsteinen besetzten Podest. Ein

blasenartiges, schwach schimmerndes Gewebe umgab König, Thron und Podest. Ein Schutzschirm. Der

König traute niemandem mehr.
    »Ich bringe Kunde von Sirantoga«, erklärte Saedealere. »Wir haben alles verloren!«
    Der König schlug mit seiner Faust auf die linke Lehne des Thrones. »Ihr seid unfähig!«, keifte

er.

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