2582 - Ein Kind der Funken
Kode und einen Namen.
Sie hörte sich in der Sprache der Mächtigen ausrufen: »Ich verlange den Stalwart Agrester zu
sprechen! Direkt, auf der Stelle!«
Ohne ihr eigenes Zutun ergoss sich eine lange Abfolge von Zahlen und Buchstaben aus ihrem
Mund.
7.
Harte Bandagen
Mit dem Schleier fiel auch die Trance von Mondra Diamond ab.
Während sie gespannt auf eine Reaktion wartete, rasten ihre Gedanken. Was war da eben
passiert? Wieso hatte Homunk wissen können, welcher Kode erforderlich sein würde?
Stammte dieser Teil ihrer Vision aus der realen Erinnerung an den Wanderer-Aufenthalt? Oder
war er später hinzugefügt worden?
Wann? Wie?
Überhaupt: Konnte es sein, dass Homunk - oder ES oder beide - schon beim Transport der JULES
VERNE nach TALIN ANTHURESTA die Finger im Spiel gehabt haben? Der riesige Transfertunnel, den
Vertreter der Frequenz- Monarchie beim Handelsstern FATICO geschaltet hatten, sollte ursprünglich
ganz gewiss nicht hierher führen.
Bewahrheitete sich also doch die Vermutung, dass Wanderer, der Sitz der Superintelligenz,
identisch mit einer der 20.000 Scheibenwelten in dieser Dyson-Sphäre war?
Dadurch ließe sich der mir eingepflanzte Kode mitsamt dem Verweis auf einen
Stalwart Agrester weitaus schlüssiger erklären ...
Mondras Überlegungen wurden unterbrochen, als unvermittelt eine große, halbtransparente
Holoprojektion erschien. Sie zeigte einen weiteren Roboter.
Er war humanoid gestaltet, circa 3,70 Meter groß und glich grob einem nackten, völlig
unbehaarten, geschlechtslosen Menschen. Die Haut bestand aus zugleich glatt und mattiert
wirkendem, graublauem Metall.
Der eiförmige Kopf wies keine Sinnesorgane auf, sondern nur im oberen Drittel ein drei
Zentimeter schmales, umlaufendes Sensorband von stumpfgelber Farbe. Bei genauem Hinsehen erkannte
Mondra darin eine gitterförmige Feinstruktur.
Die Hände waren sechsfingrig, die Füße zehenlos und farblich in Dunkelblau abgesetzt, wie von
Kniestrümpfen umhüllt. In Hüfthöhe gab es ein weiteres, etwas breiteres, senkrecht geripptes
Sensorband.
»Ich bin Agrester«, erklang eine dröhnende Bassstimme. Auch das Holo verwendete die Sprache
der Mächtigen. »Ihr habt Fogudare getötet.«
*
Aufgrund ihrer sekundären Geschlechtsmerkmale identifizierte Agrester die Sprecherin als
weibliches Exemplar der unter den Eindringlingen mehrheitlich auftretenden biologischen
Lebensform.
Die Frau gehörte zur Gruppe auf dem Nebentransferdeck. Sie war seinen Gehilfen bereits
aufgefallen, weil sie sich, einen Controller wie eine Schutzvorrichtung vor sich tragend, mitten
unter sie gewagt hatte.
Diese nicht im Mindesten einkalkulierte Entwicklung verursachte dem Stalwart Missbehagen. Aber
der fiebrig hervorgesprudelte Kode war richtig, bis zur letzten Stelle.
Ergo handelte es sich nach allem, was er wusste, um eine Befugte höchster Rangordnung. Sosehr er sich dagegen sträubte, in Verhandlungen mit ihr einzutreten, weil er sich dazu weder
berufen noch ausreichend vorbereitet fühlte - Agrester musste ihrer Aufforderung Folge
leisten.
In seiner Verblüffung schleuderte er der Frau sogleich entgegen, was ihn im tiefsten Innern
beschäftigte: »Ihr habt Fogudare getötet.«
*
Von diplomatischen Floskeln hielt ihr Gegenüber offenkundig nicht viel.
Nun, auch Mondra kam lieber gleich zur Sache. »Ja. Aber auf dessen ausdrücklichen Wunsch.«
»Wie kannst du so etwas behaupten?«
»Weil ich es beweisen kann.«
Sie ließ von ihrem SERUN die Aufzeichnung der damaligen Geschehnisse als Holo projizieren. Zum
Glück versagten die Anzuggeräte ihr nicht den Dienst.
»Das überzeugt mich nicht«, erwiderte der humanoide Roboter danach. »Derlei Bildmaterial zu
manipulieren ist eine Kleinigkeit, selbst mit weit rückständigerer Technologie als eurer.«
Wo er recht hat, hat er recht... »Was willst du noch?«
»Begründe deinen Hochrang-Status!«
Ah, da war diesem Agrester ein interessanter Hinweis entfleucht! Homunks Kode schien eine
nachhaltige Wirkung erzielt zu haben.
Mondra dachte kurz über die Worte des Stalwarts nach. Was im ersten Moment wie pure Anklage
klang, hatte einen durchaus fragenden Unterton enthalten. Sie schloss daraus, dass ihr
Gesprächspartner sich seiner Sache keineswegs so sicher war, wie er vorgab.
»Warum sollte ich? Bin ich denn dir gegenüber auskunftspflichtig?«
Das war hoch gepokert, angesichts Tausender auf sie gerichteter Waffenmündungen.
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