2582 - Ein Kind der Funken
Aber Agrester
hätte schon mehr als genug Gelegenheit gehabt, sie kaltblütig abschießen zu lassen.
Er antwortete nicht sofort; was bei einem Roboter Bände sprach.
*
Ihn verärgerte sehr, dass sie sein Zaudern bemerkte.
»Woher hast du den Controller? Und den Kode?«, suchte er Ausflucht in einem Schwall von
Gegenfragen. »Wer hat euch meinen Namen und meine Funktion verraten? Wenn ihr legitimiert seid -
wieso schleicht ihr im Wunder von Anthuresta herum und verursacht mutwillig Zerstörungen, statt
sogleich den Kontakt mit mir zu suchen?«
»Das ist eine lange Geschichte. Willst du dich, bevor ich zu erzählen beginne, nicht zu uns
gesellen oder uns zu dir befördern?«
»Ich registriere derzeit keinen Anlass, der einen solch überhasteten Schritt rechtfertigen
würde.«
Agrester witterte eine Hinterlist. Zu den in seinen Speichern dokumentierten Standard-Taktiken
freibeuterischer Banditen gehörte es, den gegnerischen Befehlshaber als Geisel zu nehmen. Oder
sich in dessen Bastion einschleusen zu lassen, um dort Unheil anzurichten.
Nicht, dass er ihnen reelle Chancen zubilligte, ihn zu überrumpeln. Aber auch ein zum
Scheitern verurteilter Versuch würde erhebliche Schwierigkeiten bereiten.
Außerdem bemerkte Agrester sehr wohl, dass die Frau sich bemühte, subtilen Druck auf ihn
auszuüben. Ihre mal herrische, mal schmeichlerische Verhandlungsweise diente dem Zweck, die
zwischen ihnen bestehende Rangordnung auszuloten.
Das ließ nur einen Schluss zu: Sie war sich über die tatsächlichen Machtverhältnisse ebenfalls
nicht im Klaren!
*
Der Stalwart war ein harter Brocken, nicht leicht zu überrumpeln und mit äußerster
Behutsamkeit zu behandeln.
Trotz seines Achtung gebietenden Erscheinungsbildes wirkte er auf Mondra erstaunlich
unschlüssig, geradezu verlegen. Was ihn nur umso unberechenbarer machte.
»Ich akzeptiere deine Vorbehalte, obwohl sie nicht notwendig sind und mich das darin zum
Ausdruck kommende, ungerechtfertigte Misstrauen schmerzt«, sagte sie langsam und mit Bedacht.
»Befiehl deinen Robotern wenigstens, die Waffen zu senken, als Zeichen des guten Willens und Akt
der Höflichkeit unter potenziellen Verbündeten.«
Diesmal kam die Replik prompt. »Deine Redeweise wurde analysiert und durchschaut. Du bedienst
dich rhetorischer Techniken und setzt absichtlich gewisse Schlüsselwörter ein, um mich geneigt zu
stimmen.«
»Das leugne ich nicht. Ich bin, wie du völlig richtig erkannt hast, geschult und erfahren
darin, Erstkontakte abzuwickeln. Selbstverständlich wende ich meine Fertigkeiten an. Du würdest
es nicht anders halten, oder?«
»Suggestivfragen machen dich verdächtig.«
»Mag sein. Dein funktionsbedingter Argwohn sei dir unbenommen. Aber hast du in meinen
Ausführungen bisher irgendeine Unlauterkeit entdeckt?«
»Noch nicht. Mit Fortdauer der Unterhaltung kann diesbezüglich jedoch rasch eine signifikante
Veränderung eintreten.«
Touche, dachte Mondra.
Dies drohte eine langwierige Prozedur zu werden. Agrester war keine simpel gestrickte
Maschine, sondern mindestens eine hochwertige künstliche Intelligenz, wahrscheinlich mit
biologisch-emotionaler Komponente.
Wer jemals mit Jawna Togoya oder anderen Posbis über Phänomenologie und universalistische
Ethik diskutiert hatte, wusste nur zu gut, was das bedeutete: eine Tortur. Schneller nagelte man
einen Pudding an die Wand, als dass man ein solches Gegenüber argumentativ in die Enge trieb.
Immerhin hatte der Stalwart weitere Gesprächsbereitschaft angedeutet. Also suchte er nach
Antworten, während er selber ihren Fragen auswich.
Geschickt lavierte er um den heißen Brei herum und vermied es, sich festzulegen. Weshalb? Weil
er nicht eingestehen wollte, dass sie, dank Homunks Kode, die höhere Autorität verkörperte?
»Die Waffen nieder!«, forderte Mondra.
*
Agrester gehorchte.
Ihm blieb keine Wahl. Den unmissverständlich formulierten Befehl zu verweigern wäre einer
Meuterei gleichgekommen.
Allerdings bestand nach wie vor Grund zu Argwohn, und daher tarnte er die Unterwerfung als
Gefälligkeit. »Es sei. Wenn dir so viel daran liegt ... Obwohl die Geste jeglicher Sinnhaftigkeit
entbehrt. Erstens sind Fadenkreuze schnell wieder aufs Ziel justiert, und zweitens verfüge ich
über weit effektivere Mittel.«
»Das bezweifle ich nicht. Trotzdem: Danke!«
»Du schuldest mir Antworten. Der Reihe nach: Wie seid ihr an die drei Controller
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