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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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wahr?«, mischt sich Perry ein. »Und sie wird keinesfalls Hand an den Aktivator legen.«
    »Jawohl, Perry«, murmelt der Schiffs- Avatar. Es ist ihr anzusehen, dass sie mit dieser Entscheidung keinesfalls einverstanden ist.
    Ich folge der klein gewachsenen Frau. Ich bin nervös wie schon lange nicht mehr. In wenigen Minuten werde ich wissen, ob mich mein Gefühl trügt - oder ob das Gerät in meiner Schulter wirklich den Geist aufgegeben hat.
    *
    Heilpflaster werden den Gewebeeinstich binnen weniger Stunden zum Vernarben bringen, und die Nanomaschinchen werde ich über kurz oder lang ausschwitzen. Sobald sie mit Atemluft in Berührung kommen, zerfallen die mehrere Millionen Dinger, die ich derzeit in mir trage. Es ist ein beunruhigendes Gefühl, winziges, künstliches Leben in meinem Körper zu wissen, es erinnert mich zu stark an die Zeit unter Shabazzas Zwang und die Regeneration danach. Roi hat es noch viel schlimmer getroffen. Überall juckt es mich - obwohl es, objektiv gesehen, keinerlei Grund dafür gibt.
    Ich bleibe im Diagnosezimmer und warte auf Mikrus Rückkehr. Ich möchte das Ergebnis nicht vor den Augen aller anderen Reisenden mitgeteilt bekommen. Dies ist eine viel zu delikate und zu intime Angelegenheit, um sie gleich hinausposaunt zu wissen.
    Da ist sie. Blond, fast ein wenig pummelig, mit ausgeprägten Wangengrübchen und einem freundlichen Äußeren.
    Ihr Interesse gilt in erster Linie Perry. Mondra, mich und all die anderen Bordmitglieder behandelt sie mit deutlich weniger Respekt. Doch zumindest für den Moment habe ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
    »Nun?«, frage ich. »Wie sieht's aus?«
    »Möchtest du eine Tiefenanalyse des Ergebnisses oder eine simple Antwort?«
    »Spuck's einfach aus! Los, mach schon!« Ich kann meine Ungeduld kaum noch zügeln.
    Sie sieht mich prüfend an. »Dein Gefühl hat dich nicht getrogen. Der Zellaktivator scheint inaktiv zu sein. Mit hundertprozentiger Genauigkeit kann ich es natürlich nicht sagen, da mir die Funktionsweise des Geräts weitgehend unklar ist. Ich müsste es zumindest oberflächlich untersuchen ... «
    »Abgelehnt.«
    Ich winke sie - freundlich - fort. »Lass mich jetzt allein. Du kannst es Perry und den anderen sagen. Und teil ihnen bitte mit, dass ich vorerst Ruhe benötige.«
    Ich fühle mich seltsamerweise erleichtert, und am liebsten würde ich laut draufloslachen. Immerhin weiß ich nun, woran ich bin.
    Ich habe etwas weniger als 62 Stunden, um mich auf meinen Tod vorzubereiten.
    *
    Steht es um ES derart schlecht, dass die Superintelligenz auf unerfindliche Art und Weise auf meinen Vitalspeicher zurückgreift? Möchte sie die darin gespeicherten Energien in sich aufsaugen, diese kümmerlichen Mengen, um sich für kurze Zeit aus ihrer eisigen Erstarrung zu befreien?
    Diese Erklärung erscheint mir wenig glaubwürdig. Gewiss würde sie dann auch Perrys Zellaktivator heranziehen und ...
    Nein. Ich erliege einem Trugschluss. Mein Freund ist unabkömmlich. ES hat ihn auserkoren, das PARALOX-ARSENAL zu finden. Ich hingegen bin ... ersetzbar.
    Dieser Gedanke ist widerlich, doch er passt meiner Meinung nach durchaus in das Bild, das ich von der Superintelligenz im Lauf der Zeit gewonnen habe. Sie ist bereit, ihre Soldaten und Offiziere zu opfern; selbst die Generäle sind abkömmlich. Bloß ein Oberbefehlshaber wie Perry Rhodan genießt besonderen Schutz.
    Ich gehe in meinem Zimmer auf und ab. Sechs Schritte vorwärts, eine scharfe Kehrtwendung, sechs Schritte zurück, zur Tür, vorbei an der Liege. Immer wieder.
    Mein Herz schlägt laut, mein Puls rast. Es kommt kein beruhigender Impuls, keine an mein Verhalten angepasste Regulierung durch den Zellaktivator.
    Ich nehme die externe Kommunikationseinheit meines SERUNS zur Hand und aktiviere die Aufzeichnungsmechanismen. Es gilt, einige Vorbereitungen zu treffen. Für den Fall, dass ... dass ...
    Mein Kopf ist leer. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie ich es sagen soll. Wie kann man ein Leben, das weit über dreitausend Jahre gedauert hat, in wenige Worte fassen? Wie soll ich meine Hinterlassenschaften regeln? Über die Dinge sprechen, die mir einmal wichtig gewesen sind, und solche, von denen ich gehofft habe, dass sie einmal wichtig werden würden?
    Ich beginne. Langsam, zögerlich, immer wieder absetzend. Irgendwann finde ich zu den passenden Begrifflichkeiten - und plötzlich brechen alle Dämme. Die Worte sprudeln nur so. Tausenderlei Dinge fallen mir ein. Weltliche wie meine Besitztümer

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