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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Kriegsmaschine. Mit einem Zuschnappen seines grässlichen Gebisses könnte Icho Tolot einen Shift zerreißen, wie der Mensch eine Fixfertig-Nahrungspackung aus dem lokalen Gigamarkt öffnet.
    »Kardo Tarba und ich waren bereits im Nahbereich dieser Ortung«, weist er uns mit gedämpfter Stimme auf Ereignisse hin, die vor etwa zehn Stunden stattgefunden haben. Auf dem Irrläufermond kam es zum Zweikampf des befehlshabenden Jaranoc mit Kardo Tarba.
    Die Gespräche drehen sich nun um unser vermeintliches Ziel. Um den während der dem Duell folgenden Kampfhandlungen zwischen Vatrox und Jaranoc verwüsteten Mond. Das Licht ferner Sonnen lässt ihn in der Bildaufbereitung monochrom erscheinen, mit dem Hauch einer beigegrauen Sand-Patina.
    Der Haluter weist nochmals auf die »seltsame Ortung« hin, die er in den frühen Morgenstunden angemessen hat. Ich frage mich, warum er keine gründlicheren Studien vorgenommen hat. Er, dessen Doppelhirn vorgeblich besser funktioniert als eine Positronik, hätte feststellen müssen, dass die hyperenergetische Impulsfolge für uns von Bedeutung ist!
    Ich fühle Zorn. Eine gründlichere Auswertung dieser Daten hätte unsere Suche womöglich verkürzt - und verhindert, dass ich in den Einflussbereich des Strahlungsblitzes geraten wäre.
    »... sie war nicht identisch mit der jetzt messbaren ultrahochfrequenten Hyperstrahlung«, sagt der Riese eben. »Aber sie zeigt eine gewisse Verwandtschaft.«
    Ich revidiere mein Urteil und bin froh darüber, meinem Ärger nicht laut Luft gemacht zu haben. Ich hätte wissen müssen, dass Icho keine solchen Fehler begeht. Sein Planhirn ist zu nüchtern und zu perfekt strukturiert, um irgendwelche Details zu übersehen.
    Ein weiteres Mal begutachte ich jene Informationen, die über den Mond verfügbar sind. Sie künden von der Schlacht, die vor nicht einmal einem halben Tag hier stattgefunden hat. Von Krieg und Tod und Rücksichtslosigkeit und von Leid, von so viel Leid ...
    Raumschiffsbesatzungen wurden bedenkenlos geopfert. Womöglich treiben noch immer Überlebende im weiteren Umfeld des Schlachtgebiets, die verzweifelt auf Rettung hoffen, während sich die beiden gegenüberstehenden Seiten auf einen zweiten Waffengang vorbereiten.
    Oh ja: Jaranoc-Einheiten und Schlachtlichter sammeln sich abermals hier. Sie erscheinen wie von Zauberhand, fügen sich in Verbände ein, umtänzeln einander, suchen nach strategischen Lücken in den Reihen ihrer Gegner. Es ist, als würden sich die Soldatinnen zweier verfeindeter Bienenschwärme belauern.
    Da und dort kommt es bereits zu Scharmützeln. Einzelne Einheiten tasten sich in die Reihen ihrer jeweiligen Widersacher vor, feuern einige Salven ab, ziehen sich zurück. Es handelt sich um Provokationen. Beide Seiten sind sich der Waffenkraft ihres jeweiligen Gegners bewusst. Nun gilt es, ein Pokerface aufzusetzen, Muskeln zu zeigen und sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
    Seit Anbeginn aller Tage hat sich in der Kriegführung nicht viel geändert. Früher achtete man darauf, sich Geländevorteile zu sichern und die Sonne im Rücken zu haben. Fallen wurden gestellt, Potemkinsche Dörfer gebaut, Überzahl und eine überlegene Ausrüstung vorgetäuscht ...
    Das aufgeregte Hin und Her der Gegner ähnelt jenem, das während der Isonzo-Schlachten, bei Waterloo, bei den Thermopylen oder auf jedem beliebigen Schlachtfeld der terranischen Geschichte geherrscht haben mag. Bloß die Mittel, die zum Einsatz kommen, sind unverhältnismäßig größer und mächtiger geworden. Sie könnten den Weltraum zum Kochen bringen und die so dünne, empfindliche Trennwand zwischen vier- und mehrdimensionalem Kontinuum nachhaltig schädigen.
    Auf diesem Schlachtfeld läuft alles auf eine große, aufreibende Auseinandersetzung hinaus. Die Taktiker sitzen wohl rings um ihre Kartentanks und besprechen sich mit Kommandantur, Bordrechnern, Waffentechnikern und jenen Fachkräften, die für die abschnittsweisen Flottenaufteilungen zuständig sind.
    Meine Hände schmerzen. Ich blicke sie verwundert an. Ich habe sie in meinem Zorn zu Fäusten geballt und völlig verkrampft. Ich will nicht, dass geschieht, was geschehen wird. Hier und jetzt geht der Blick auf das Individuum verloren. Schiffsbesatzungen werden zu unbedeutenden Figuren und Schiffe zu Spielsachen, die man beliebig hin und her schiebt.
    Die Obersten denken nicht mehr daran, was sie tun. Sie arbeiten abstrakt, in Zahlen. In Verlusten und Gewinnen wie bei einer Geschäftsabrechnung. Sie

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