2593 - Das Paralox-Arsenal
gewonnen.
»Werden wir uns wiedersehen?«, fragte Safri-16.
»Wer weiß? Vermutlich aber nicht.«
Julian Tifflor verstaute den Kristallkelch in seinem Rucksack. Dann schloss er hinter der
stählernen Gestalt die Zeittür, seufzte und schlenderte zur entgegengesetzten Mündung des
Jahrmillionentunnels.
Ihm war nach Gehen zumute.
7.
Völkermord
Im siebzehnten Zeitkorn erwartete Tiff eine böse Überraschung.
Es war leer - eine hohle Mantelblase. Keine Kruste, kein Gramm Psi-Materie im offen
zugänglichen, etwa vier Kilometer durchmessenden, gähnend leeren Depot.
Tifflor fluchte. Er fand keinerlei Anzeichen, wohin der Inhalt verschwunden war und wer dafür
die Verantwortung trug.
Beim Gedanken, was derjenige, der ihm zuvorgekommen war, mit der entwendeten, mutmaßlich
enormen Menge an Psi-Materie anstellen konnte, stellten sich Tiffs Nackenhaare auf. Oder - eine
kleine Hoffnung - stammte von hier die über Jahrmillionen in der Schneise von Anthuresta
erschienene und zu Staub und Gas materialisierte Psi-Materie? Dann ging er in die Hocke, ließ
sich langsam umkippen, rollte sich in Embryonalposition zusammen und weinte.
Es war aus, vorbei, alles vergeblich gewesen. Der ganze jahrmillionenlange Marsch, die
unmenschliche psychische Belastung, die schleichende Verwandlung zu ... wozu auch immer Tiff
geworden war ... er hätte sich die Torturen ersparen können.
Ende der Fahnenstange. Wer dieses Depot ausgeräumt hatte, hatte gewiss auch den hiesigen
Perianth mitgenommen. Tiff benötigte aber sämtliche zwanzig Schlüssel; nach allem, was er wusste,
durfte nicht einer fehlen.
Oder? Mehr aus Starrsinnigkeit denn aus Hoffnung aktivierte er den Detektor an seinem
Oberarm.
Tiff biss sich auf die Unterlippe. Er war, trotz der Kristallschicht, die inzwischen fast
seine gesamte Haut bedeckte und Haare ummantelte, ein Terraner, ein Mensch. Und Menschen
klammerten sich nun mal an den allerletzten Strohhalm.
Ein Holo baute sich auf. Das dünne Armband, ein hoch spezialisiertes, auf Mikro- und
Nanotechnologie basierendes Ortungsgerät, stellte selbsttätig eine Verbindung zu allen
erreichbaren Kommunikationskanälen und Datenspeichern her.
Durch Fingerbewegungen, die ihm Duleymon beigebracht hatte, änderte Tiff den Maßstab der
Übersichtskarte. Ein blinkender grüner Punkt zeigte den Standort des Perianth-Schlüssels an.
Den Standort. Des Schlüssels?
Tatsächlich - in diesem Zeitkorn befand sich ein Perianth!
Tiff konnte es kaum glauben, vermochte sein Glück nicht zu fassen, bis er das wertvolle
Artefakt mit eigenen Augen vor sich sah. Es lag viele Hundert Meter vom Eingang entfernt einfach
am Boden der Hohlblase, deren künstlicher Schwerkraftvektor nach außen wies.
Tränen lachend packte Tiff vorsichtig den kristallinen Blütenkelch zu den fünfzehn anderen.
Dass sein Rucksack davon nicht leichter wurde, kümmerte ihn nicht. Er tänzelte förmlich in den
Jahrmillionentunnel.
Im achtzehnten Zeitkorn hingegen ging Tifflors Glückssträhne zu Ende.
*
Von allen Krusten, die er bislang besucht hatte, war dies die paradiesischste.
Aus der Tunnelmündung blickte Tiff hinab auf eine Seenlandschaft, wie gemalt von einem
chinesischen Künstler der frühen Kaiserzeit. Ornamentale Gärten umgaben Pagoden mit zehn, zwölf
oder mehr Stockwerken.
Schlanke, elegant geschwungene Gondeln befuhren die Seen. An deren Ufern fanden kulturelle
Veranstaltungen statt. Zahlreiche, sehr verschiedenartige Wesen wiegten sich im Tanz oder wohnten
Konzerten und theatralischen Vorführungen bei. Bunte Fesselballons trieben über den fröhlichen
Feierlichkeiten.
Das fast schon kitschige Idyll bekam allerdings für Tifflor einen äußerst bitteren
Beigeschmack, sobald er den Perianth-Detektor konsultierte. Den Holos zufolge hatte die Kruste
dieses Zeitkorns die Ausdehnung eines kleinen Planeten.
Aber nirgendwo blinkte ein grüner Punkt.
An einen Fehler des Detektors wollte Tiff nicht glauben. Bislang hatte das Gerät tadellos
funktioniert, unter unterschiedlichsten, teilweise extremen Bedingungen.
Wurde der Perianth abgeschirmt, sodass das Nano-Armband ihn nicht orten konnte? Theoretisch
vorstellbar, doch wenig wahrscheinlich. Laut Duleymon war es unmöglich, die Signale zu
unterdrücken.
Allerdings bezog die Vatrox-Monarchin ihre Kenntnisse hauptsächlich aus Tiffs eigenem
Notizbuch, das er Safri-16 mitgegeben hatte, damit es zu Duleymon gelangte, indem der
Weitere Kostenlose Bücher