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26 - Die Sklavenkarawane

26 - Die Sklavenkarawane

Titel: 26 - Die Sklavenkarawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schickte das kleine Boot zu dem Genannten ab, welcher sich auf dem von ‚dem Schnarcher‘ geführten Noqer befand. Die beiden Deutschen saßen im Schatten des großen Segels und beobachteten den Lauf des Schiffes und die Szenerie des Flusses. Da trat Abd es Sirr, der ‚Sohn des Geheimnisses‘, zu ihnen und fragte Schwarz: „Effendi, hast du jetzt Zeit, die Antwort zu hören, welche ich dir heute noch geben wollte?“
    „Ja, setz dich zu uns!“
    Das war eine ehrende Auszeichnung, welche der Jüngling mit bescheidener Würde entgegennahm. Ein andrer hätte sich aus Höflichkeit geweigert; er aber hatte das ganz bestimmte Gefühl, daß er eher zu den Herren als zu den Dienern gehöre.
    „Einiges habe ich dir schon gesagt“, begann er; „die Hauptsache aber wirst du jetzt zu hören bekommen. Wer mein Vater war, weiß ich nicht; aber ein Araber ist er ganz gewiß gewesen, denn die Worte, welche mir aus jener Zeit geblieben sind, gehören alle der arabischen Sprache an.“
    „Und welchem Dialekt? Es wäre von großer Bedeutung, wenn du das wüßtest.“
    „Das ist schwer zu sagen, denn es sind der Worte, welche ich gemerkt habe, nur sehr wenige.“
    „Und wohin hat der Räuber dich geschafft?“
    „Auch das weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur, daß ich mich bei Schwarzen befunden habe und daß eine Frau, welche weniger schwarz als die andern war, mich sehr lieb hatte. Sie ging mit mir fort, weit fort. Ich weiß, daß sie mich viele Tage auf ihren Armen getragen hat, in ein fernes, fernes Land. Dann legte sie sich hin und stand nicht wieder auf. Ich war sehr müde und schlief ein. Als ich erwachte, lag sie noch da und regte sich nicht. Sie war tot, vor Hunger und Erschöpfung gestorben. Auch ich hatte Hunger und weinte sehr, ohne Aufhören. Da kam ein Weib, welches meine Stimme gehört hatte und mich fand. Sie nahm mich mit sich in ein nahes Dorf, wo sie mir zu essen und trinken gab. Es kamen viele Schwarze, welche meine Arme, meine Beine und meinen Leib betasteten und mir mehrere Tage nur immerfort zu essen gaben. Wenn ich nicht essen wollte, so bekam ich Schläge.“
    „Ah, Menschenfresser!“
    „Ja, Effendi; es waren welche, wie ich später hörte. Auch an dem Ort, von welchem die gute Frau mit mir floh, hatte ich so viel essen müssen; darum denke ich, daß diese Schwarzen auch Menschenfresser waren.“
    „Und wo befandest du dich nun jetzt? Weißt du das?“
    „Ja; ich war bei den Jambarri.“
    „Am oberen Kongo! Das ist weit, weit von hier!“
    „Sehr weit! Dann kam ein weißer Mann, der einen grünen Turban auf dem Kopf und grüne Pantoffel an den Füßen hatte. Er war sehr freundlich mit mir und nahm mich mit sich über den Fluß hinüber nach Mawembe.“
    „Dem Hauptort der Kororu!“
    „Du kennst die Namen dieser Völker, Effendi?“
    „Ja, aus Büchern. Weißt du, wer oder was dieser weiße Mann gewesen ist?“
    „Ja, ein wandernder Imam, welcher von einem Volk zum andern reiste, um den Islam zu verbreiten. Er war auch zu den Jambarri gekommen und hatte erfahren, daß ich gegessen werde solle. Da kaufte er mich ihnen ab, um mich zu seinem Sohn zu machen. Das tat er, weil er die Worte verstand, welche mir meine Mutter immer vorgebetet hatte und die mir noch nicht entfallen waren, nämlich die Worte Allah il Allah, Mohammed rassuhl Allah.“
    „Er hatte aus diesen Worten ersehen, daß dein Vater ein Moslem gewesen war, und so erforderte sein Glaube, sich deiner anzunehmen.“
    „Er verstand auch die Worte, welche ich außerdem konnte. Die Frau, welche mit mir floh, hatte sie mir eingeprägt. Sie hatte mir auch noch andre vorgesagt, damit ich sie auswendig lernen solle; aber ich hatte mir nur einen Teil derselben gemerkt, nämlich ‚ana arab, ana nahabi‘. Ich sprach die Worte nicht richtig aus; aber er merkte doch, daß ich ein Araber sei, den man geraubt hatte. Er gab sich viel Mühe, noch weiteres aus mir herauszubringen, doch vergebens, denn ich wußte nichts. Aber den Räuber mußte ich ihm beschreiben. Dessen Gesicht war das einzige, dessen ich mich genau erinnern konnte, und der Imam sagte, daß ich darauf ganz allein die Hoffnung, meine Eltern wiederzufinden, stützen müßte. Darum mußte ich ihm dieses Gesicht fast täglich so genau beschreiben, daß mir das Bild desselben niemals wieder entschlüpfen konnte. Dieser seiner Klugheit habe ich es zu verdanken, daß ich nun weiß, wer der Räuber war.“
    „Lebt er denn noch?“
    „Ja. Du wirst nachher seinen Namen erfahren.

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