26 - Die Sklavenkarawane
und finden!“
„So ist uns der schwarze Hund sogar lebend entgangen, während der andre wenigstens von et Timsah gefressen wurde.“
„Nein. Entkommen ist er nicht. Von hier aus zieht sich der Fluß fast gerade nach Sonnenaufgang, während Ombula gegen Süd und West liegt, wo wieder eine sehr große freie Ebene ist. Über diese muß der Schwarze gehen. Wenn wir ihn haben wollen, brauchen wir nur hinauszureiten, um ihn dort zu erwarten.“
„Er wird des Nachts kommen, wenn wir ihn nicht sehen können!“
„So breiten wir uns aus und bilden eine Kette. Dann muß er sicher auf einen von uns stoßen. Also vorwärts jetzt!“
Sie bestiegen ihre Pferde wieder und ritten gegen Süden davon. Der Umstand, daß er irrtümlicherweise überzeugt war, Tolo gesehen zu haben, hatte diesem vielleicht das Leben gerettet. Man hatte nur nach vorwärts, nicht aber nach rückwärts gesucht, wo die beiden Bäume standen. Hätte man auch die letztere Richtung eingeschlagen, so stand zu erwarten, daß der Neger bei der Aufregung, von der er wegen der Gefahr, in welche sich sein Freund für ihn gestürzt hatte, ergriffen worden war, entdeckt worden wäre. – Aber wo befand er sich? Noch auf dem Baum? Und war der todesmutige Lobo wirklich von dem Krokodil erfaßt und verzehrt worden?
Das hätte man am besten auf dem Flachboot erfahren können, welches um die Mittagszeit, oder kurz vor derselben, vom Negerdorf Mehana den Fluß herabgerudert kam. Es war nicht groß und auch nicht allzu klein; es hätte wohl dreißig Personen fassen können, trug aber heute nur dreiundzwanzig. Davon waren zwanzig Neger, je zehn an jeder Seite, die Ruder führten. Am Steuer saß ein vielleicht sechzehn Jahre alter Jüngling von hellerer Hautfarbe, welche entweder auf arabische Abstammung oder gemischtes Blut schließen ließ. Die übrigen beiden waren Weiße.
Die Neger waren alle nur mit dem gebräuchlichen Lendenschurz bekleidet; sie hatten die wolligen Haare in kurzen, dünnen, wohl eingeölten Flechten rings um den Kopf hängen. Der Knabe am Ruder hatte schlichtes, dunkles Haar. Seine Kleidung bestand aus einem großen, hellen Tuch, welches er wie eine Toga um sich geschlungen hatte.
Daß die Fahrt keine friedliche war oder daß diese Leute sich auf Feindseligkeiten gefaßt gemacht hatten, zeigten die Waffen, welche am Schnabel des Bootes zusammengehäuft waren. Dort saßen auch die beiden Weißen.
Der eine von ihnen trug einen Haïk mit Kapuze und hohe Stiefel, ganz genau der Anzug, welchen Doktor Schwarz getragen hatte. Er besaß auch die hohe, breite Gestalt desselben, und beider Züge hatten eine große Ähnlichkeit miteinander. Kurz, dieser Mann war Doktor Joseph Schwarz, welcher seinem Bruder den ‚Sohn der Treue‘ entgegengeschickt hatte und ihm nun selbst entgegenfuhr, weil ihm die Ankunft desselben zu lange währte und er besorgt um sein Schicksal geworden war.
Der andere trug graue Zeugschuhe, graue Strümpfe, eine graue, sehr weite und sehr kurze Hose, eine graue Weste, eine graue Jacke und einen grauen Turban. Grau war auch der Schal, den er sich um die Hüfte geschlungen hatte. An ihm schien alles grau zu sein, selbst die Augen, die Gesichtsfarbe, das lange, bis auf die Brust herabhängende Halstuch und das dichte Haupthaar, welches unter dem Turban hervor bis zum Rücken niederfiel. Das Sonderbarste an ihm aber war seine Nase, eine Nase, wie man sie nur einmal im Leben, und auch das kaum, zu sehen bekommt.
Diese Nase war unbedingt ein sogenannter ‚Riecher‘. Sie war entsetzlich lang, entsetzlich gerade und entsetzlich schmal und lief in eine förmlich lebensgefährliche scharfe Spitze aus. Sie glich dem Schnabel eines Storches, nur daß dieser nicht von grauer Farbe ist. Wer in Faschodah Gelegenheit gehabt hatte, den ‚Sohn der Treue‘ von Abu Laklak, dem ‚Vater des Storches‘, sprechen zu hören, der mußte hier unbedingt auf den Gedanken kommen, diesen Mann vor sich zu haben. Die beiden Weißen musterten mit Kennerblicken die Oberfläche des hier sehr breiten Flusses. Nichts entging ihren Augen, und besonders war der Graue wie elektrisiert, wenn irgendein Vogel sich aus dem Schilf erhob oder von einem Ufer nach dem anderen kreuzte. Dabei ließen sie die Unterhaltung keinen Augenblick ruhen. Sie bedienten sich der deutschen Sprache, Schwarz des reinen Hochdeutsch, der Graue aber eines sehr kräftigen und dabei doch zutraulichen Dialektes, welcher irgendwo zwischen dem Thüringerwald, Böhmerwald, Innsbruck, dem
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