26 - Die Sklavenkarawane
Menschen da!“ sagte der Steuermann. „Wer sind sie? Bewohner der Seribah können es nicht sein. Wüßte ich nur, ob sich Weiße bei ihnen befinden.“
„Das werde ich gleich erfahren“, antwortete Schwarz, indem er sein Fernrohr auszog. Als er mit Hilfe desselben den Platz genau betrachtet hatte, fuhr er fort: „Ich sehe nur Schwarze; auch sind ihrer nicht viele; ich zähle kaum zwanzig.“
„Sind diese Leute bewaffnet?“
„Sie haben Stangen, mit denen sie in den Trümmern herumstöbern.“
„Sie werden für sich holen wollen, was zu retten ist. Wie sind sie gekleidet?“
„Keiner trägt mehr als nur den Schurz um die Lenden. Das Haar liegt wie ein Kranz um den Kopf.“
„Dann sind es Dschur, also Freunde von mir. Ich werde mich an sie schleichen. Irre ich mich und werde ich überfallen, so werde ich laut den Namen Abu Laklak rufen. Dann kommt ihr, mir zu helfen. Eure Gewehre sind mehr als genug, sie alle zurückzutreiben.“
Er legte sich auf die Erde nieder und kroch vorwärts, in den langen Aschenstreifen hinein, welcher die frühere Umzäunung bezeichnete. Dann sahen sie ihn hinter einem Trümmerhaufen verschwinden. Sie hielten ihre Gewehre bereit, um, falls er rufen werde, ihm sofort zur Hilfe zu eilen. Minuten vergingen. Dann sah Schwarz durch das Fernrohr, daß die Leute alle sich an einer Stelle versammelten. Zu dem Haufen, der sich dort bildete, traten zwei Männer, welche er bisher noch nicht gesehen hatte. Beide trugen graue Haïks. Der eine war ein Schwarzer, der andre schien kein Neger zu sein.
Nach einiger Zeit löste sich der erstere mit einem Begleiter von der Gruppe und kam mit demselben schnellen Schritt auf die Gegend zu, in welcher die Deutschen standen.
„Sie kommen zu uns“, erklärte Schwarz seinem Gefährten.
„Doch nit in feindlicher Absicht?“ fragte dieser.
„Nein. Den einen halte ich für den Anführer der Schwarzen, der andre ist unser Steuermann.“
„So haben wir nix zu befürchten. Ich bin neugierig, mit welcher Art von Menschen wir es zu tun haben werden. Wenn's Leute vom Stamme der Dschur sind, so werd' ich's loben.“
Die beiden waren jetzt so nahe gekommen, daß man ihre Gesichter deutlich sehen konnte. Der ‚Sohn des Geheimnisses‘ lächelte sehr befriedigt. Der andre war ein dicker Neger, dessen wohlgenährtes Gesicht vor Freundlichkeit glänzte. Er hob von weitem die Hände empor, legte sie zusammen und bewegte sie grüßend auf und nieder. Dann blieb er gar stehen, verbeugte sich bis zur Erde nieder und rief: „Salam, Salam aleïk! Ich heiße euch willkommen! Allah gibt mir große Gnade, indem er euch zu mir sendet. Ich und mein Haus, mein ganzer Stamm mit all seinen Kriegern steht zur eurer Verfügung.“
„Das ist freilich nicht ernstlich zu nehmen“, meinte der Graue leise. „Dieser Kerl weiß von Allah gewiß ebensowenig wie sein Kamel von der Sternkunde.“
Laut aber erwiderte er den Gruß mit großer Herzlichkeit, und Schwarz stimmte ein. Der Dicke kam darauf näher, verbeugte sich abermals und fuhr fort: „Ich bin der Scheik des Stammes der Dschur, welcher hier in der Nähe wohnt. Wir erblickten heute ein großes Feuer in der Gegend der Seribah und eilten herbei, den Weißen zu helfen. Als wir kamen, waren sie fort, und nun retten wir, was gerettet werden kann.“
„Wo sind sie hin?“ fragte Schwarz.
„Allah weiß es, ich nicht.“
Der Mann war ein Heide, glaubte aber, in den beiden Mohammedaner vor sich zu sehen; darum bediente er sich des Wortes Allah.
„Kennst du die Bewohner der Seribah?“ erkundigte sich Schwarz.
„Ich kenne sie alle.“
„Wann warst du zum letztenmal hier?“
„Gestern ist es ein Tag gewesen.“
„Was hattest du da zu tun?“
„Abd el Mot ließ mich kommen, um mit mir wegen der Reittiere zu verhandeln, welche ich ihm zu dem Zuge liefern mußte.“
„Wohin ging der Zug?“
„In das Land der Belanda.“
„Nach welchem Ort?“
„Das weiß ich nicht. Den Ort sagt er nie, so wenig wie Abu el Mot.“
„Wo befindet sich der letztere?“
„Im Land der Homr, doch kehrt er bald zurück.“
„Bist du ein Freund von ihm?“
Der Scheik zog den Mund von einem Ohr bis zum andern, was wohl ein diplomatisches Lächeln sein sollte, griff sich verlegen nach dem rund um seinen Kopf liegenden Haarwulst, welcher die Gestalt eines aufgeblasenen Luftkissens besaß, und antwortete: „Herr, ein armer Mann muß der Freund aller großen Herren sein, wenn er nicht aufgefressen werden will. Auch dir
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