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260 - Fly me to the moon

260 - Fly me to the moon

Titel: 260 - Fly me to the moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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gezwungenermaßen Freundschaft hatte schließen müssen – was er aber nicht einen Moment bereute –, nicht einmal ansatzweise verängstigt.
    »Ein Sturm?«, fragte Hi’schi, der für den schlaksigen Knaben offenbar genau das verkörperte, was er sich in der Eintönigkeit seines Borddienstes am meisten ersehnt hatte: eben einen blinden Passagier, der das Abenteuer förmlich ausdünstete.
    »Satchmo sagt das. Obwohl – oder gerade weil – draußen plötzlich kein Lüftchen mehr geht. Die Kohleöfen werden gerade beheizt. Auch die anderen sagen, dass das kein gutes Omen ist. Die Windstille, dazu ein Himmel, als wären schmutzige Tücher darüber gespannt, zwischen denen es ab und zu unheimlich irrlichtert…«
    Satchmo war, so viel wusste Hi’schi inzwischen, der Kapitän der LADY BEDFORD. Das Schiff transportierte Tuch nach Cinna, die die Mannschaft dort gegen Gewürze eintauschen und diese hinüber nach Euree bringen wollte, nach Britana.
    Hi’schi hatte vor, an der cinnischen Küste an Land zu gehen und von dort aus quer über den Kontinent zu ziehen. Er war voller Tatendrang.
    »Satchmo… aha.«
    »Hier!« Ron hielt Hi’schi einen Beutel entgegen, in dem sich, wie Hi’schi sofort ahnte, Essen befand. Der Schiffsjunge zweigte jeden Tag ein wenig für ihn ab und versorgte ihn auch mit dringend benötigtem Trinkwasser.
    Hi’schi öffnete den Verschluss mit geschickten Fingern. Er war hungrig – eigentlich immer. Die Rationen, die Ron abzweigte, waren stets so klein gehalten, dass niemand Verdacht schöpfte.
    Seine Hoffnung, endlich einmal etwas anderes als einen Streifen Trockenfleisch und einen Kanten hartes Brot zu bekommen, wurde enttäuscht. »Danke«, rang er sich trotzdem ab. Ron meinte es gut, und wo wäre er wohl ohne ihn gewesen?
    Er schob sich das Rauchfleisch in den Mund und begann gerade zu kauen, als über ihm erneut die Luke aufgerissen wurde. Jetzt aber war es eine derbe Männerstimme, die einen Fluch herunterbrüllte, der vom Lichtschein einer Lampe begleitet wurde, welcher Ron aus dem Halbdunkel riss.
    Hi’schi wich schnell zurück und drückte sich in den Schlagschatten, den ein Kistenstapel warf. Doch zu spät: Der Mann hatte die Bewegung bereits gesehen.
    »Wer ist das denn – ein blinder Passagier?«, polterte er. »Hab doch geahnt, dass du mich bescheißt – das wirst du bereuen!« Die Worte galten zweifellos Ron. Die stämmige Gestalt kam die Stiegen herab.
    »Lass sehen, wen du da vor mir versteckst! Vielleicht gar ein Weibsbild?« Dann kam er unten an, hob die Lampe und leuchtete Hi’schi ins Gesicht. »Bei allen Seeteufeln… so ein schönes Fräulein!«
    Hi’schi sah, wie Ron eine Grimasse schnitt, weil er nicht verstand, was der Kapitän des Schoners – denn um keinen anderen handelte es sich – da faselte. Genauso wenig wie er verstand, dass sich Kapitän Satchmos grimmige Miene innerhalb weniger Herzschläge komplett wandelte. Wahrscheinlich hatte Ron noch nie zuvor solche Lüsternheit in den Augen des Älteren leuchten sehen.
    Satchmos Stimme war plötzlich so sanft, als hätte er Kreide gefressen. »Ich bin entsetzt, meine Liebe, dass dieser unnütze Flegel von einem Schiffsjungen so ein hübsches Täubchen hier unten in all dem Dreck verstecken konnte. Ich bin doch kein Unmensch, man kann doch über alles mit mir reden…«
    »Käpt’n, ich –«
    Satchmo wirbelte zu Ron herum. »Maul halten! Wir zwei sprechen uns später… und jetzt verschwinde! Geh mir aus den Augen!«
    Mit einem schmierigen Grinsen wartete der stoppelbärtige Kapitän, bis Ron sich fluchtartig aus dem Unterdeck nach oben verzogen hatte. Dann wandte er sich an Hi’schi. »Wie heißt du, Täubchen?«
    Hi’schi war klar, was Satchmo in ihm sah – und natürlich musste er mitspielen. Leider fiel ihm kein Name ein. »Was glaubt Ihr denn, Kapitän? Ich bin sicher, Ihr werdet es erraten.«
    »Ah, du magst Spielchen. Nun gut… Wie wäre es mit Margret? Du erinnerst mich an das Mädchen, dem ich vor langer Zeit die Kehle aufschlitzen musste, weil es mich nicht zu schätzen wusste. Du aber siehst aus, als wärest du klüger. Als würdest du ebenso viel Verstand wie Schönheit besitzen…«
    Hi’schi durchlief ein kalter Schauer unter seinem Schuppenpanzer.
    Der Mensch war eine Bestie! Wie sollte er sich verhalten? Wies er ihn zurück, mochte sich seine Gier schnell in Wut verwandeln. Ließ er sich weiter auf das Spiel ein, würde Satchmo bei der ersten Berührung merken, dass etwas nicht

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