266 - Das Todesschiff
knallten. Ein Sturmmann an Monets Seite brach tot zusammen. Ihm folgte gleich darauf einer der beiden Posten, der sich beim Erwidern des Feuers zu ducken vergaß. Aus seiner Brust spritzte dunkelrotes Blut. Sein Gewehr schlug auf die Treppenstufen und entlud sich mit einem trockenen Knall.
Das ist das Ende , dachte Hasso. Jetzt machen sie uns alle kalt.
***
März 2526
Gespenstische Nebelschwaden waberten über dem Hafen von Smörebröd, als Sepp Nüssli seine Unterkunft verließ, in der er auf Blondynes Rat hin noch ein paar Stunden geschlafen hatte.
Jetzt knurrte sein Magen wie eine wütende Wildkatze, aber Sepp ignorierte den Hunger. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen , dachte er und zog sich die Kapuze des Umhangs über den Kopf, den er sich wegen der Feuchtigkeit der Luft übergeworfen hatte.
Die Karavelle, die sich am Abend zuvor dem Hafen genähert hatte, lag nun vor Anker - wenn man auch keine Ankerkette sah. Sepp, der sich wieder an der Mauer hochziehen musste, um einen Blick auf das Schiff zu werfen, stellte fest, dass es nicht an einer Mole festgemacht hatte, sondern mitten im Hafenbecken lag - mit dem Heck zur Ausfahrt, die es mehr oder weniger versperrte. War das vielleicht der Grund, warum sich trotz der Abendstunde und des schlechten Wetters eine Menge Volk an der Mauer versammelt hatte und die Karavelle mit Binocularen begaffte?
Ein Mann, den Sepp für den Hafenmeister hielt, stand etwas abseits der Gaffer und schwenkte zwei Signalflaggen. Irgendwann erlahmten seine Arme, und so wandte er sich an einen Stadtgardisten, dessen Gesicht Sepp nicht kannte. »Du siehst: Ich bekomme noch immer keine Reaktion. Das ist mehr als eigenartig, Thorleif.«
»Ja.« Thorleif nickte. »Und man sieht auch niemanden an Deck.«
»Noch eigenartiger«, sagte jemand aus der Menge, dessen Stimme Sepp zusammenzucken ließ, »ist aber, dass sie die Segel nicht gerefft haben! Wie, beim Blutigen Henker von Örebrö, gelingt es ihnen, das Schiff an Ort und Stelle zu halten? Es ist doch nicht windstill!«
Die Stimme gehörte Käpt'n Rotbaad. Sepp gestand sich ein, dass der Mann mehr Grips hatte, als sein debiler Gesichtsausdruck vermuten ließ. Ja, wie war es möglich, dass ein voll betakeltes Schiff, das keinen sichtbaren Anker geworfen hatte, sich nicht von der Stelle rührte?
»Da sprecht Ihr ein wahres Wort, Käpt'n.« Der Hafenmeister nickte mitgerunzelter Stirn. »Ich glaube, das ist eine Sache für den Stadtrat.« Er klopfte Thorleif auf die Schulter. »Halte die Stellung, solange ich fort bin!«
»Jawoll«, sagte Thorleif und trat an die Mauer heran, um das mysteriöse Schiff durch sein Binocular zu betrachten.
Das Volk murmelte weiter. Die wunderlichsten Vermutungen wurden über das Schiff geäußert, die von »die Besatzung ist an einer Seuche erkrankt oder längst tot« bis »unter Deck verbergen sich Piraten, die erst hervorkommen, wenn wir alle schlafen« reichten.
Schließlich näherten sich die drei Gardisten, die Sepp am Vormittag übelst beschimpft hatte. Da er nicht wusste, ob sie ihm das mittlerweile krumm nahmen, wandte er sich ab und zog sich erst einmal in den Gasthof »Zum Glatze« zurück. Dort nahm er ein frugales Abendessen zu sich und trank einen großen Becher Kafi. Solange das Volk an der Hafenmole stand und glotzte, würde er seine dritte und letzte Prüfung eh nicht erledigen können.
Irgendwann saß er satt und zufrieden in der von einem Holzfeuer beheizten Gaststube und beobachtete die Leute an der Promenadenmauer. Der Anblick des Schiffes faszinierte sie dermaßen, dass sie völlig vergaßen, zu Bett zu gehen. Dabei gab es an Bord der Karavelle nach wie vor nichts zu sehen. Niemand kam an Deck. Niemand ließ ein Beiboot zu Wasser.
Der Hafenmeister kam in Begleitung von mehreren feisten Würdenträgern zurück und unternahm einen neuen Versuch, mit der Schiffsbesatzung in Kontakt zu treten.
Helmoot, der ächzend in die Gaststube gewankt kam, übersetzte für die Anwesenden, was der Hafenmeister mit seinen Fähnchen zu übermitteln versuchte: »Gebt euch zu erkennen und entrichtet die Liegegebühr! Ansonsten kommen Soldaten an Bord! Dies ist unsere letzte Warnung!«
Auch diese Anfrage wurde mit Schweigen beantwortet.
Sepp nahm nur eine Veränderung wahr: Die im Hafenbecken wabernden Nebelschwaden lösten sich teilweise auf. Das fremde Schiff war nun deutlicher sichtbar. Und nun sahen alle, was der Nebel bisher verborgen hatte.
Die Gaffer an der Promenadenmauer wichen ängstlich
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