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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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untergebracht und gebe heute Abend ein Essen. Ich würde mich freuen, wenn ihr dazukommen würdet, sagte sie. Rosa sagte, sie werde kommen. Amalfitano erklärte, dass dem auch von seiner Seite nichts im Wege stünde. Seine Tochter und Frau Professor Pérez kehrten daraufhin zu der Demonstration zurück, und Amalfitano setzte seinen Weg fort.
    Bevor er jedoch zu Hause ankam, rief erneut jemand seinen Namen. Professor Amalfitano, hörte er rufen. Er drehte sich um, sah aber niemanden. Er befand sich schon nicht mehr im Zentrum, sondern ging die Avenida Madero entlang, und hier hatten die vierstöckigen Gebäude Vorortchalets Platz gemacht, die kalifornische Einfamilienhäuser der fünfziger Jahre imitierten und an denen schon seit Jahren, seit ihre Bewohner in das Viertel umgezogen waren, in dem Amalfitano jetzt lebte, die Zeit ihr Zerstörungswerk vorantrieb. Einige Häuser waren zu Autowerkstätten geworden, in denen auch Eis verkauft wurde, andere dienten ohne irgendwelche baulichen Veränderungen als Brotläden oder Kleidergeschäfte. An vielen hingen Schilder von Ärzten und Anwälten mit den Spezialgebieten Scheidungsrecht und Strafrecht. Anderswo wurden tageweise Wohnungen angeboten. Manche hatte man ohne viel Geschick in zwei oder drei unabhängige Einheiten aufgeteilt, sie dienten als Zeitungskioske, als Obst- und Gemüseläden oder köderten die Passanten mit künstlichen Gebissen zu Dumpingpreisen. Als Amalfitano weitergehen wollte, rief es erneut. Diesmal sah er ihn. Die Stimme kam aus einem am Straßenrand parkenden Auto. Zuerst erkannte er den Burschen nicht, der nach ihm gerufen hatte, und dachte, es handele sich um einen seiner Studenten. Er trug eine schwarze Sonnenbrille und ein schwarzes, bis zur Brust aufgeknöpftes Hemd. Seine Haut war stark gebräunt, als wäre er ein Schlagersänger oder ein puertoricanischer Playboy. Steigen Sie ein, Professor, ich bringe Sie nach Hause. Amalfitano wollte gerade sagen, er gehe lieber zu Fuß, als der Junge sich zu erkennen gab. Ich bin der Sohn von Professor Guerra, sagte er, während er auf der dem Verkehr zugewandten Seite ausstieg, der um diese Zeit die Avenida mit ohrenbetäubendem Lärm erfüllte, ohne nach links oder rechts zu schauen, mit einer Verachtung für die Gefahr, die Amalfitano in höchstem Maße tollkühn fand. Er ging um den Wagen herum auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. Ich bin Marco Antonio Guerra, sagte er und erinnerte ihn an das Mal, als sie anlässlich seiner Aufnahme in den Lehrkörper des Instituts im Büro seines Vaters mit Champagner angestoßen hatten. Von mir haben Sie nichts zu befürchten, Professor, sagte er, und Amalfitano musste sich über diese Eröffnung doch sehr wundern. Der junge Guerra blieb vor ihm stehen. Er lächelte genau wie damals. Ein spöttisches und zuversichtliches Lächeln, wie das eines vielleicht allzu selbstsicheren Freischärlers. Er trug Bluejeans und Cowboystiefel. Im Wageninnern, auf der Rückbank, lagen ein edles perlgraues Jackett und eine Mappe mit Papieren. Ich kam gerade hier lang, sagte Marco Antonio Guerra. Der Wagen ordnete sich Richtung Siedlung Lindavista ein, aber bevor sie dort ankamen, schlug der Sohn des Dekans vor, etwas trinken zu gehen. Amalfitano lehnte die Einladung höflich ab. Dann laden Sie mich doch auf ein Glas zu sich nach Hause ein, sagte Marco Antonio Guerra. Ich habe nichts da, was ich Ihnen anbieten könnte, entschuldigte sich Amalfitano. Genug geredet, sagte Marco Antonio Guerra und nahm die nächste Abfahrt. Rasch wandelte sich das Stadtbild. Im westlichen Teil der Siedlung Lindavista waren die Häuser noch neu und stellenweise von großen Freiflächen umgeben, einige Straßen waren nicht einmal asphaltiert. Es heißt, diese Siedlungen seien die Zukunft der Stadt, sagte Marco Antonio Guerra, ich glaube eher, diese erbärmliche Stadt hat keine Zukunft. Der Wagen bog auf einen Fußballplatz ein, an dessen rückwärtiger Seite ein paar riesige eingezäunte Schuppen oder Lagerhäuser standen. Hinter diesen Anlagen trug ein Kanal oder Flüsschen den Müll der nördlichen Siedlungen mit sich fort. Auf einer weiteren Brachfläche sahen sie die alte Eisenbahntrasse, die einst Santa Teresa mit Ures und Hermosillo verbunden hatte. Einige Hunde näherten sich scheu. Marco Antonio kurbelte das Fenster herunter und ließ sie an einer Hand schnüffeln und lecken. Zur Linken lag die Hauptstraße nach Ures. Der Wagen verließ jetzt Santa Teresa. Amalfitano fragte, wo sie

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