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Esslöffel Weinbrand, drei Esslöffel Essig, drei Esslöffel Sherry, schwarzer Pfeffer, Öl und Salz. Dann erläuterte Seaman die einzelnen Schritte der Zubereitung, und als er damit fertig war, sagte er nur, diese Ente ergebe ein ausgezeichnetes Essen.
STERNE. Man kenne, sagte er, viele Arten von Sternen oder glaube, viele Arten von Sternen zu kennen. Er sprach von den Sternen, die man nachts am Himmel sieht, zum Beispiel wenn man auf der Interstate 80 von Des Moines nach Lincoln fährt und der Wagen eine Panne hat, nichts Schlimmes, Öl oder Kühler, vielleicht ein kaputter Reifen, und man aussteigt, Wagenheber und Reserverad aus dem Kofferraum holt und das Rad wechselt, was schlimmstenfalls eine halbe Stunde dauert, und hinterher nach oben schaut und den von Sternen übersäten Himmel sieht. Die Milchstraße. Er sprach von den Stars und Sternchen des Sports. Das ist eine andere Art von Sternen, sagte er und verglich sie mit den Stars und Sternchen des Films, wobei er einschränkte, dass das Leben eines Sterns am Sportlerhimmel dramatisch viel kürzer sei als das Leben eines Sterns am Kinohimmel. Das Leben eines Sportstars währte im günstigsten Fall fünfzehn Jahre, während das Lebens eines Filmstars im günstigsten Fall vierzig oder fünfzig Jahre dauern konnte, wenn die Karriere früh begonnen hatte. Dagegen währte das Leben jedes x-beliebigen Sterns, den man auf der Fahrt von Des Moines nach Lincoln vom Randstreifen aus betrachtete, mehrere Millionen Jahre, doch konnte er auch in dem Moment, da man ihn betrachtete, schon seit Millionen Jahren tot sein, ohne dass der Reisende, der ihn betrachtete, davon etwas ahnte. Es könnte sich um einen lebendigen oder einen toten Stern handeln. Zuweilen und je nach Blickwinkel war das aber doch nicht wichtig, denn die Sterne, die wir nachts am Himmel sehen, leben im Reich der Erscheinung. Sie sind auf die gleiche Weise Erscheinung wie die Träume Erscheinungen sind. Dergestalt dass der Reisende, dem auf der Interstate 80 ein Reifen geplatzt ist, nicht weiß, ob das, was er in der unermesslichen Nacht betrachtet, Sterne sind oder vielmehr Träume. Der am Straßenrand stehende Reisende, sagte er, ist gewissermaßen selbst Teil eines Traums, eines Traums, der sich von einem anderen Traum loslöst, so wie sich ein Wassertropfen von einem größeren Wassertropfen loslöst, den wir Welle nennen. An dieser Stelle wies Seaman darauf hin, dass ein Stern etwas völlig anderes sei als ein Meteorit. Ein Meteorit hat nichts mit einem Stern gemein, sagte er. Ein Meteorit, insbesondere wenn seine Flugbahn auf Kollisionskurs mit der Erde liegt, hat weder mit einem Stern noch mit einem Traum etwas gemein, dagegen durchaus etwas mit dem Begriff der Loslösung, einer Art umgekehrter Loslösung. Dann sprach er von Seesternen und dass Newell, keiner wusste wie, an jedem kalifornischen Strand, an dem er herumlief, einen Seestern fand. Er sagte aber auch, dass die Seesterne, die man am Strand fand, in aller Regel tot waren, Leichen, die die Wellen ausspuckten, obwohl es auch Ausnahmen gab. Newell, sagte er, konnte die toten immer von den noch lebenden Seesternen unterscheiden. Ich weiß nicht wie, aber das konnte er. Und die toten ließ er liegen und die lebenden brachte er zurück ins Meer, warf sie bei den Klippen hinein, damit sie zumindest eine kleine Chance bekamen. Außer einmal, als er einen Seestern mit nach Hause nahm und in ein Aquarium mit Salzwasser vom Pazifik setzte. Das geschah kurz nach Gründung der Black Panther, die sich damals darum kümmerten, den Verkehr in ihrem Stadtviertel zu überwachen, damit die Autos nicht mit Vollgas hindurchfuhren und Kinder töteten. Ein oder zwei Ampeln hätten es auch getan, aber die Stadtverwaltung wollte keine aufstellen. Es wurde eine der ersten Aktionen, bei denen die Black Panther in Erscheinung traten, als Verkehrshüter. Und in der Zwischenzeit hütete Newell seinen Seestern. Natürlich wurde ihm schnell klar, dass sein Aquarium einen Motor brauchte. Eines Nachts zog er mit Seaman und dem kleinen Nelson Sanchez los, einen zu klauen. Keiner hatte eine Waffe bei sich. Sie fuhren zu einem Fachgeschäft für seltene Fische in Colchester Sun, einem Weißenviertel, und drangen durch den Hintereingang ein. Sie hatten den Motor bereits gefunden, als ein Typ mit einem Gewehr auftauchte. Ich dachte, das war's dann, sagte Seaman, aber dann sagte Marius: Nicht schießen, nicht schießen, das ist für meinen Seestern. Der Typ mit dem Gewehr rührte
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