Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2666

2666

Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
Vom Netzwerk:
Manchmal war es europäischen Kaufleuten lieber, aus Westindien Wechselverschreibungen zu erhalten, anstatt im Tausch für ihre Sklaven Zucker, Indigo, Baumwolle oder Ingwer zu bekommen, weil die Preise für diese Waren in London unkalkulierbar oder niedrig waren. Was für schöne Namen, dachte er. Indigo, Zucker, Ingwer, Baumwolle. Die rötlichen Blüten des Indigostrauchs. Die dunkelblaue Masse mit ihrem leichten Kupferschimmer. Eine mit Indigo bemalte Frau unter der Dusche.
    Als er aufstand, kam die mollige Kellnerin auf ihn zu und fragte, wohin er führe. Nach Mexiko, sagte Fate.
    »Das hab ich mir gedacht«, sagte die Kellnerin, »aber wohin genau?«
    Am Tresen lehnte rauchend ein Koch, der zu ihm hinüberschaute und auf seine Antwort wartete.
    »Nach Santa Teresa«, sagte Fate.
    »Kein sehr gemütlicher Ort«, sagte die Kellnerin, »aber eine große Stadt mit vielen Diskotheken und Läden, wo man sich amüsieren kann.«
    Fate schaute lächelnd zu Boden und bemerkte, dass der Sonnenuntergang über der Wüste die Fliesen in ein sanftes Rot getaucht hatte.
    »Ich bin Journalist«, sagte er.
    »Wollen Sie über die Verbrechen schreiben?«, fragte der Koch.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen, ich werde über den Boxkampf am Samstag berichten«, sagte Fate.
    »Wer steht im Ring?«, sagte der Koch.
    »Count Pickett, Halbschwergewichtler aus New York.«
    »Früher war ich großer Fan«, sagte der Koch. »Ich setzte Geld und kaufte Boxzeitschriften, aber irgendwann beschloss ich, damit aufzuhören. Mit den heutigen Boxern kenne ich mich nicht aus. Möchten Sie etwas trinken? Geht aufs Haus.«
    Fate setzte sich an die Bar und bestellte ein Glas Wasser. Der Koch lächelte und sagte, soviel er wisse, tränken alle Journalisten Alkohol.
    »Ich auch«, sagte Fate, »aber ich glaube, mit meinem Magen stimmt was nicht.«
    Nachdem er ihm das Glas Wasser hingestellt hatte, wollte der Koch wissen, gegen wen Count Pickett antrat.
    »Mir fällt der Name nicht ein«, sagte Fate, »ich habe ihn mir irgendwo aufgeschrieben, ein Mexikaner, glaube ich.«
    »Merkwürdig«, sagte der Koch, »die Mexikaner haben keine guten Halbschwergewichtler. Alle zwanzig Jahre taucht ein Schwergewichtler auf, der in der Regel den Verstand verliert oder erschossen wird, aber Halbschwergewichtler haben sie keine.«
    »Möglich, dass ich mich irre und es kein Mexikaner ist«, räumte Fate ein.
    »Vielleicht ein Kubaner oder Kolumbianer«, sagte der Koch, »obwohl Halbschwergewichtler in Kolumbien auch keine Tradition haben.«
    Fate trank sein Wasser aus, stand auf und reckte sich. Zeit für mich, zu gehen, dachte er, obwohl er sich eigentlich in dem Restaurant sehr wohl fühlte.
    »Wie lange braucht man von hier nach Santa Teresa?«, fragte er.
    »Kommt drauf an», sagte der Koch. »Manchmal ist die Grenze voller Lkws und man muss eine halbe Stunde warten. Sagen wir, von hier bis Santa Teresa sind es drei Stunden, dann eine halbe oder dreiviertel Stunde am Grenzübergang, rund gerechnet vier Stunden.«
    »Von hier nach Santa Teresa sind es nur anderthalb Stunden », sagte die Kellnerin.
    Der Koch sah sie an und sagte, das hänge vom Auto und der Ortskenntnis des Fahrers ab.
    »Sind Sie schon einmal durch die Wüste gefahren?« »Nein«, sagte Fate.
    »Ist nicht ganz einfach. Es sieht einfach aus. Wie die einfachste Sache der Welt, aber das ist es nicht«, sagte der Koch.
    »Da hast du recht«, sagte die Kellnerin, »vor allem nachts, nachts durch die Wüste zu fahren macht mir Angst.«
    »Jeder Fehler, jede verpasste Abzweigung kann bedeuten, dass man fünfzig Kilometer in die falsche Richtung fährt«, sagte der Koch.
    »Vielleicht fahre ich lieber sofort los, solange es noch hell ist«, sagte Fate.
    »Völlig egal«, sagte der Koch, »es wird in fünf Minuten dunkel. Die Sonnenuntergänge in der Wüste scheinen endlos, bis dann das Ende plötzlich da ist, ohne Vorankündigung. So als hätte jemand einen Schalter umgelegt«, sagte der Koch.
    Fate bat um ein weiteres Glas Wasser und trank es am Fenster. Möchten Sie nicht noch etwas essen, bevor Sie fahren?, hörte er den Koch sagen. Er antwortete nicht. Die Wüste begann zu verschwinden.

Er fuhr zwei Stunden lang über dunkle Straßen und hörte im Radio einen Sender aus Phoenix, der Jazz spielte. Er kam durch Orte, in denen es Häuser und Restaurants und Gärten mit weißen Blumen und achtlos geparkte Fahrzeuge gab, aber kein einziges Licht, als wären alle Bewohner in dieser Nacht umgekommen und als

Weitere Kostenlose Bücher