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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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hielt ihn ihm hin. Sein Journalistenausweis steckte genau daneben. Der Grenzpolizist fragte, ob er gekommen sei, um über die Morde zu berichten.
    »Nein«, sagte Fate, »ich schreibe über den Boxkampf am Samstag.«
    »Wer kämpft?«, fragte der Grenzpolizist.
    »Count Pickett, Halbschwergewichtler aus New York.«
    »Nie von ihm gehört«, sagte der Polizist.
    »Er wird Weltmeister werden «, sagte Fate.
    »Hoffen wir es«, sagte der Polizist.
    Dann fuhr er hundert Meter weiter zur mexikanischen Grenze, wo er aussteigen und seinen Koffer öffnen, die Wagenpapiere, seinen Pass und den Journalistenausweis vorzeigen musste. Man ließ ihn einige Formulare ausfüllen. Die Gesichter der mexikanischen Grenzer wirkten verschlafen. Durch das Fenster des Zollhäuschens sah man den langen, hohen Zaun, der beide Länder trennte. Auf dem entferntesten Zaunstück sah er vier schwarze Vögel hocken, die Köpfe förmlich in den Federn vergraben. Es ist kalt, sagte Fate. Sehr kalt, sagte der mexikanische Grenzbeamte, während er das Formular kontrollierte, das Fate ausgefüllt hatte.
    »Die Vögel. Sie frieren.«
    Der Beamte schaute in die Richtung, die Fates Finger wies. »Das sind Zopilotes, die frieren immer um diese Zeit«, sagte er.
    Er nahm ein Zimmer im Motel Las Brisas im nördlichen Teil von Santa Teresa. Auf der Straße kamen in regelmäßigen Abständen Schwerlaster vorbei, die nach Arizona fuhren. Manchmal hielten die Laster an der Tankstelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite und setzten dann ihre Fahrt fort, oder die Fahrer stiegen aus und aßen etwas an einem Schnellimbiss mit himmelblau gestrichenen Wänden. Morgens kamen kaum Laster vorbei, nur Pkws und Lieferwagen. Fate war so müde, dass er noch nicht einmal wusste, wie spät es war, als er fest einschlief.
    Als er aufwachte, ging er zur Motelrezeption und fragte nach einem Stadtplan. Der Mann an der Rezeption, ein etwa fünfundzwanzigjähriger Bursche, sagte, im Las Brisas hätten sie noch nie Stadtpläne gehabt, zumindest solange er hier arbeite. Er fragte, wohin er wolle. Fate sagte, er sei Journalist und gekommen, um über den Kampf von Count Pickett zu berichten.
    »Count Pickett gegen El Merolino Fernandez«, sagte der Rezeptionist.
    »Lino Fernandez«, sagte Fate.
    »Hier nennen wir ihn El Merolino«, sagte der Rezeptionist lächelnd. »Wer, glauben Sie, wird gewinnen?«
    »Pickett«, sagte Fate.
    »Wir werden sehen, ich glaube aber, Sie täuschen sich.«
    Dann riss der Empfangschef einen Zettel ab und zeichnete einen Plan mit der genauen Route zur Sporthalle Arena del Norte, wo der Kampf stattfinden sollte. Der Plan war viel besser, als Fate erwartet hatte. Die Sporthalle Arena del Normte sah aus wie ein altes Theater von 1900, in dessen Mitte man einen Boxring gepflanzt hatte. In einem der Büros erledigte Fate seine Akkreditierung und fragte, in welchem Hotel Pickett zu finden sei. Man sagte ihm, der Boxer aus den USA sei noch nicht in der Stadt. Unter den Journalisten traf er ein paar Typen, die Englisch sprachen und vorhatten, ein Interview mit Fernandez zu führen. Fate fragte, ob er mitkommen könne, und die Journalisten zuckten die Schultern und sagten, sie hätten nichts dagegen.
    Als sie im Hotel ankamen, in dem Fernandez die Pressekonferenz gab, sprach der Boxer gerade mit einer Gruppe mexikanischer Journalisten. Die US-Amerikaner fragten ihn auf Englisch, ob er glaube, dass er gegen Pickett eine Chance habe. Fernandez verstand die Frage und sagte ja. Die US-Amerikaner fragten ihn, ob er Pickett jemals habe boxen sehen. Fernandez verstand die Frage nicht, und einer der Mexikaner übersetzte sie ihm.
    »Entscheidend ist, dass man auf seine eigenen Stärken vertraut«, sagte Fernandez, und die US-amerikanischen Journalisten schrieben die Antwort in ihre Notizblöcke.
    »Kennen Sie Picketts Bilanz?«, sagten sie.
    Fernandez wartete, bis man ihm die Frage übersetzt hatte, und sagte dann, solche Dinge interessierten ihn nicht. Die US-amerikanischen Journalisten kicherten spöttisch, bevor sie ihn nach seiner eigenen Bilanz fragten. Dreißig Kämpfe, sagte Fernandez. Fünfundzwanzig Siege. Achtzehn durch K.O. Drei Niederlagen. Zwei Unentschieden. Nicht schlecht, sagte einer der Journalisten und fragte weiter.
    Die meisten Journalisten logierten im Hotel Sonora Resort im Zentrum von Santa Teresa. Als Fate erzählte, dass er sich in einem Motel am Stadtrand einquartiert hatte, sagten sie, er solle da ausziehen und versuchen, ein Zimmer im Sonora

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