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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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nannte dann zwei Sendernamen, von denen Fate noch nie gehört hatte.
    »Und deine Zeitung, wie heißt die?«, fragte Chucho Flores.
    Er nannte den Namen, und nach kurzem Nachdenken schüttelte Chucho Flores den Kopf.
    »Kenne ich nicht«, sagte er. »Eine große Zeitung?«
    »Nein, sie ist nicht groß«, sagte Fate. »Eine Zeitung aus Harlem, du verstehst? «
    »Nein«, sagte Chucho Flores, »ich verstehe nicht.«
    »Eine Zeitung, die Afroamerikanern gehört, deren Chefredakteur Afroamerikaner ist und in der fast alle Redakteure Afroamerikaner sind«, sagte Fate.
    »Geht das denn?«, sagte Chucho Flores, »ist das gut für einen objektiven Journalismus?«
    In diesem Moment merkte er, dass Chucho Flores leicht betrunken war. Er dachte über das nach, was er gerade gesagt hatte. Die Behauptung, fast die ganze Belegschaft bestünde aus Schwarzen, war kühn. Er hatte in der Redaktion immer nur Schwarze gesehen, obwohl er die Korrespondenten natürlich nicht alle kannte. Vielleicht saß ja in Kalifornien ein Chicano, dachte er. Vielleicht in Texas. Es konnte aber auch sein, dass in Texas niemand saß, warum hätte man ihn sonst von Detroit aus hierher geschickt, statt den Mann aus Texas oder Kalifornien die Arbeit machen zu lassen?
    Zwei Mädchen kamen und begrüßten Chucho Flores. Sie waren angezogen wie für eine Party, trugen Stöckelschuhe und Sachen zum Tanzen. Die eine hatte blondgefärbte Haare, die andere war sehr dunkel und eher schweigsam und scheu. Die Blonde grüßte den Barkeeper, der den Gruß mit einer Miene erwiderte, als kennte er sie gut und würde ihr nicht trauen. Chucho Flores stellte ihn als einen berühmten Sportreporter aus New York vor. Daraufhin hielt Fate es für angebracht, dem Mexikaner zu sagen, dass er eigentlich kein richtiger Sportreporter sei, sondern ein Journalist, der über politische und soziale Themen schrieb, eine Mitteilung, die Chucho Flores sehr interessant fand. Kurz darauf kam ein weiterer Bekannter, den Chucho Flores ihm als den größten Kinokenner südlich von Arizona vorstellte. Der Typ hieß Charly Cruz und sagte mit strahlendem Lächeln, Fate solle kein Wort von dem glauben, was Chucho Flores gesagt habe. Er besitze einen Videoladen, und sein Beruf zwinge ihn, viele Filme zu sehen, das sei alles, er sei kein Spezialist auf dem Gebiet.
    »Wie viele Videoläden hast du?«, fragte Chucho Flores. »Sag schon, sag es meinem Freund Fate.«
    »Drei«, sagte Charly Cruz.
    »Der Hornochse hat richtig Kohle«, sagte Chucho Flores.
    Die Blondgefärbte hieß Rosa Méndez und war laut Chucho Flores seine Exfreundin. Und die Exexfreundin von Charly Cruz. Zurzeit war sie mit dem Inhaber eines Tanzschuppens zusammen.
    »So ist Rosita halt«, sagte Charly Cruz, »das liegt in ihrer Natur.«
    »Was genau liegt in deiner Natur?«, fragte Fate.
    »Spaß haben«, erwiderte das Mädchen in nicht sehr gutem Englisch. »Das Leben ist kurz«, sagte sie, schwieg dann und sah abwechselnd Fate und Chucho Flores an, als dächte sie über ihre letzte Bemerkung nach.
    »Rosita ist auch ein bisschen Philosophin«, sagte Charly Cruz.
    Fate nickte. Zwei weitere Mädchen gesellten sich zu ihnen. Sie waren noch jünger und kannten nur Chucho Flores und den Barkeeper. Fate schätzte, dass keine der beiden älter als achtzehn war. Charly Cruz fragte ihn, ob er Spike Lee möge. Ja, sagte Fate, obwohl er ihn eigentlich nicht mochte.
    »Sieht mexikanisch aus«, sagte Charly Cruz.
    »Kann sein«, sagte Fate, »interessanter Aspekt.«
    »Und Woody Allen?«
    »Finde ich gut«, sagte Fate.
    »Der sieht auch aus wie ein Mexikaner, aber wie einer aus DF oder Cuernavaca«, sagte Charly Cruz.
    »Wie ein Mexikaner aus Cancún«, sagte Chucho Flores.
    Fate lachte, ohne etwas zu verstehen. Er vermutete, dass sie ihn auf den Arm nahmen.
    »Und Robert Rodríguez«, sagte Charly Cruz.
    »Finde ich gut«, sagte Fate.
    »Dieser Idiot ist einer von uns«, sagte Chucho Flores.
    »Ich habe einen Videofilm von Robert Rodríguez«, sagte Charly Cruz, »den nur ganz wenige Leute gesehen haben.«
    »El Mariachi?«, sagte Fate.
    »Nein, den kennt ja jeder. Einen älteren, als Robert Rodríguez noch ein Niemand war. Ein mieser, halbverhungerter Chicano. Ein Hampelmann, der sich für keinen Job zu schade war«, sagte Charly Cruz.
    »Setzen wir uns, und du erzählst uns die Geschichte«, sagte Chucho Flores.
    »Gute Idee«, sagte Charly Cruz, »ich war das dauernde Stehen schon leid.«
    Die Geschichte war simpel und unwahrscheinlich.

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