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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Zwei Jahre bevor er El Mariachi drehte, reiste Robert Rodríguez nach Mexiko. Ein paar Tage trieb er sich im Grenzgebiet zwischen Chihuahua und Texas herum, dann fuhr er weiter nach Süden, nach DF, wo er sich ganz auf den Konsum von Drogen und Alkohol konzentrierte. Er war so tief gesunken, sagte Charly Cruz, dass er schon vormittags in einen Pulque-Ausschank wankte und erst wieder herauskam, wenn der Laden schloss oder man ihn mit Fußtritten hinausbeförderte. Am Ende fand er Unterschlupf in einer Lasterhöhle, will sagen einem Puff, will sagen einer Bumsbude, will sagen im Untertagebau der barmherzigen Schwestern, will sagen in einem Bordell, wo er sich mit einer Nutte und ihrem Zuhälter anfreundete, der Perno, Zapfen, genannt wurde, was ungefähr so ist, als würde man einen Zuhälter Schwanz oder Schwengel nennen. Dieser Perno verstand sich gut mit Robert Rodríguez und war nett zu ihm. Nicht selten trug er ihn fast zurück in das Zimmer, in dem er schlief, und manchmal mussten er und seine Nutte ihn ausziehen und unter die Dusche schleifen, denn Robert Rodríguez wurde immer ruckzuck ohnmächtig. An einem Morgen, da der zukünftige Filmregisseur ausnahmsweise halbwegs nüchtern war, erzählte der Zuhälter ihm, dass Freunde von ihm einen Film drehen wollten, und fragte, ob er in der Lage wäre, das zu übernehmen. Wie ihr euch denken könnt, sagte Robert Rodríguez, oki doki, und Perno kümmerte sich um den praktischen Teil.
    Die Dreharbeiten dauerten drei Tage, soviel ich weiß, und Robert Rodríguez war permanent betrunken oder stand unter Drogen, während er die Kamera bediente. Sein Name taucht im Abspann natürlich nicht auf. Als Regisseur stand da Johnny Mamerson, offensichtlich ein Scherz, aber wer die Filme von Robert Rodríguez kennt - seine Art, den Bildwinkel zu bestimmen, Schuss und Gegenschuss zu setzen, sein Gefühl für Geschwindigkeit. -, findet seine Handschrift darin wieder. Das Einzige, was fehlt, ist seine spezielle Art, einen Film zu schneiden, woraus ersichtlich wird, dass jemand anders den Schnitt besorgt haben muss. Aber Regie geführt hat er, da bin ich mir sicher.
    Fate interessierte sich weder für Robert Rodríguez noch für die Geschichte von seinem ersten oder letzten Film, das war ihm alles egal, außerdem bekam er allmählich Hunger, wollte etwas essen, wenigstens ein Sandwich, und sich in seinem Motel ins Bett legen und schlafen, stattdessen musste er sich bruchstückweise die Filmhandlung anhören, eine Geschichte von klugen oder auch einfach nur gutherzigen Nutten, unter denen eine gewisse Justina hervorstach, die aus Gründen, die nicht zu ihm durchdrangen, aber unschwer zu erraten waren, zwei Vampire aus DF kennenlernte, die als Polizisten verkleidet durch die Nacht zogen. Dem weiteren Verlauf der Geschichte schenkte er keine Beachtung. Während er die Schwarzhaarige, die mit Rosita Méndez gekommen war, auf den Mund küsste, hörte er, wie von Pyramiden, aztekischen Vampiren, einem mit Blut geschriebenen Buch, der Vorläuferidee zu From Dusk Till Dawn, und Robert Rodríguez' immer wiederkehrendem Albtraum geredet wurde. Die Schwarzhaarige konnte nicht küssen. Bevor er ging, gab er Chucho Flores die Telefonnummer des Motels Las Brisas und stolperte dann hinaus zu seinem geparkten Wagen.
    Als er die Wagentür öffnete, hörte er, wie ihn jemand fragte, ob alles in Ordnung sei. Er atmete einmal tief durch und drehte sich um. Drei Meter vor ihm stand Chucho Flores mit gelockerter Krawatte, den Arm um die Hüfte von Rosa Méndez geschlungen, die ihn ansah wie ein exotisches Etwas. Wie was genau? Er konnte es nicht sagen, aber der Blick der Frau gefiel ihm nicht.
    »Alles in Ordnung, kein Problem.«
    »Soll ich dich zu deinem Motel bringen?«, fragte Chucho Flores.
    Das Lächeln von Rosa Méndez wurde breiter. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, der Mexikaner könne schwul sein.
    »Nicht nötig«, sagte er, »ich komme allein klar.«
    Chucho Flores ließ die Frau los und machte einen Schritt auf ihn zu. Fate setzte sich hinters Steuer und ließ den Motor an, wobei er es vermied, ihn anzuschauen. Adiós, Amigo, hörte er den Mexikaner fast flüsternd sagen. Rosa Méndez hatte die Hände in die Hüften gestemmt, eine Haltung, die ihm alles andere als natürlich vorkam, und sah weder ihn noch das Auto, sondern ihren Begleiter an, der reglos dastand, als hätte die Nachtluft ihn zu Eis erstarren lassen.
    Die Rezeption des Motels war besetzt, und Fate fragte den Jungen, den er

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