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gleich wieder ein.
Jetzt war der Geruch verschwunden, und er fand nicht den geringsten Hinweis darauf, dass er sich in der letzten Nacht übergeben hatte. Er duschte, zog sich an und nahm sich vor, noch in der Nacht nach dem Kampf ins Auto zu steigen und nach Tucson zurückzufahren, wo er versuchen würde, einen Nachtflug nach New York zu bekommen. Die Verabredung mit Guadalupe Roncal würde er sausenlassen. Wozu den mutmaßlichen Serienmörder interviewen, wenn doch niemand seine Geschichte veröffentlichte? Er überlegte kurz, ob er anrufen und sich vom Motel aus ein Ticket reservieren sollte, beschloss aber im letzten Moment, das später zu tun, von einem Telefon in der Arena-Halle oder vom Sonora Resort aus. Dann packte er seinen Koffer und ging zur Rezeption, um seine Rechnung zu begleichen. Sie müssen Ihr Zimmer nicht sofort räumen, sagte der Mann am Empfang, der Preis bleibt gleich, wenn Sie bis Mitternacht abreisen. Fate dankte ihm und behielt den Zimmerschlüssel in der Tasche, ließ jedoch den Koffer im Kofferraum.
»Wer, glauben Sie, wird gewinnen?«, fragte der Mann am Empfang.
»Schwer zu sagen, bei einem solchen Kampf kann alles passieren«, sagte Fate, als sei er ein Leben lang Sportreporter gewesen.
Der Himmel zeigte sich tiefblau, kaum getrübt von ein paar zylinderförmigen Wolken, die von Osten her auf die Stadt zutrieben.
»Sehen aus wie Rohre«, sagte Fate von der offenen Eingangstür aus.
»Das sind Zirruswolken«, sagte der Mann am Empfang, »wenn sie den Luftraum über Santa Teresa erreichen, werden sie verschwunden sein.«
»Das ist seltsam«, sagte Fate, ohne seinen Platz im Türrahmen aufzugeben, »Zirrus bedeutet hart, das Wort kommt von griechisch skirrhós, das heißt hart und wird auf bestimmte Tumore angewendet, harte Tumore, aber diese Wolken machen überhaupt keinen harten Eindruck.«
»Nein«, sagte der Mann am Empfang, »es sind Wolken in höheren Luftschichten der Atmosphäre, die sich auflösen, sobald sie nur etwas steigen oder sinken.«
Am Arena del Norte traf er keine Menschenseele. Das Haupttor war verschlossen. Ein paar frühzeitig gealterte Plakate an den Wänden kündigten den Kampf Fernandez gegen Pickett an. Einige waren abgerissen worden, wieder andere waren von unbekannten Händen mit neuen Plakaten überklebt worden, die Konzerte und Tanzveranstaltungen ankündigten, ein Plakat sogar einen Zirkus, der sich Circo Internacional nannte.
Fate lief um das Gebäude herum. Er traf auf eine Frau, die ein Wägelchen mit kalten Getränken hinter sich herzog. Die Frau hatte langes schwarzes Haar und trug einen Rock, der ihr bis auf die Knöchel reichte. Zwischen den Flaschen mit Wasser und den Eimern mit Eis streckten zwei kleine Jungs die Köpfe hervor. An der nächsten Ecke machte die Frau halt und begann, eine Art Sonnenschirm mit Metallgestänge aufzuspannen. Die jungen sprangen aus dem Wägelchen und setzten sich mit den Rücken zur Wand auf den Bürgersteig. Fate stand eine Weile wie angewurzelt da, betrachtete sie und betrachtete die ansonsten menschenleere Straße. Als er gerade weitergehen wollte, tauchte an der gegenüberliegenden Ecke ein zweites Wägelchen auf, und Fate blieb erneut stehen. Der Mann, der das zweite Wägelchen zog, hob die Hand zum Gruß. Die Frau zeigte mit einem kaum merklichen Kopfnicken, dass sie ihn erkannte, und holte aus einem Seitenfach ihres Gefährts große Glaskaraffen hervor, die sie auf einen Klapptisch stellte. Der Neuankömmling verkaufte Mais, und sein Wagen rauchte. Fate entdeckte einen Hintereingang und suchte nach einer Klingel, fand aber nichts dergleichen und musste klopfen. Die Jungs hatten sich dem rauchenden Wägelchen genähert, und der Mann zog zwei Maiskolben heraus, bestrich sie mit saurer Sahne, streute Käse und etwas Chili darauf und reichte sie ihnen. Während des Wartens dachte Fate, dass der Maismann vielleicht der Vater der Jungs war und es um seine Beziehung zu der Mutter, der Frau mit dem Fruchtsaft, nicht zum Besten stand, durchaus möglich, dass sie geschieden waren und sich nur sahen, wenn sich ihre beruflichen Wege kreuzten. Aber das entsprach wohl offensichtlich nicht der Realität, dachte er. Dann klopfte er noch einmal, und niemand öffnete.
In der Bar des Sonora Resort traf er fast alle Journalisten, die über den Kampf berichten würden. Er sah Campbell im Gespräch mit einem mexikanisch aussehenden Typen und ging auf ihn zu, doch bevor er bei ihm war, merkte er, dass Campbell arbeitete, und
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