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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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schwarz-lila-rot-gestreifte Hose und schien überrascht, dass der andere noch stand. Óscar, Óscar, hier sind wir, schrie es. Als der Gong ertönte, ging der Ringrichter in die Ecke des Boxers mit der weißen Hose und winkte gebieterisch einen Arzt herbei. Der Arzt, oder was immer er war, untersuchte eine Augenbraue und gab den Kampf frei. Fate drehte sich um und versuchte, die Rufer ausfindig zu machen. Die meisten Zuschauer hatten sich von ihren Plätzen erhoben, und er konnte niemanden entdecken. Als die nächste Runde begann, stürmte der Boxer mit der Streifenhose vor, um den Kampf durch K.o. zu beenden. Anfangs bot der andere ihm Paroli, aber dann suchte er den Clinch. Mehrmals trennte der Ringrichter sie. Die Schulter des Boxers mit der Streifenhose war vom Blut seines Gegners verschmiert. Fate näherte sich langsam den Sitzreihen am Ring. Er sah Campbell, der in einer Basketballzeitschrift las, sah einen anderen amerikanischen Journalisten, der sich lässig Notizen machte. Einer der Kameramänner hatte seine Kamera auf ein Stativ gesetzt, und der Beleuchter neben ihm kaute Kaugummi und schaute von Zeit zu Zeit einer jungen Frau in der ersten Reihe auf die Beine.
    Wieder hörte er seinen Namen rufen und drehte sich um. Er glaubte eine blonde Frau zu sehen, die ihm Handzeichen machte. Der Boxer mit der weißen Hose ging erneut zu Boden. Sein Mundschutz flog in hohem Bogen aus dem Ring und landete genau vor Fate. Im ersten Moment wollte er sich schon bücken und ihn aufheben, aber dann ekelte er sich und tat nichts, während er den in sich zusammengesackten Boxer betrachtete, der vom Ringrichter angezählt wurde und doch bei neun wieder auf die Beine kam. Er wird ohne Mundschutz kämpfen, dachte er, bückte sich daraufhin und suchte nach dem Mundschutz, fand ihn aber nicht. Wer hat ihn aufgehoben?, dachte er. Wer, zum Teufel, hat den verdammten Mundschutz aufgehoben, wenn ich es nicht war und ich niemanden gesehen habe, der es getan haben könnte?
    Als der Kampf vorbei war, tönte aus den Lautsprechern eine Musik, in der er eins der Lieder wiedererkannte, die Chucho Flores als Sonora Jazz bezeichnet hatte. Die Zuschauer auf den billigen Plätzen stießen Begeisterungsschreie aus und begannen mitzusingen. Dreitausend Mexikaner auf der Tribüne in der Arena-Halle sangen unisono dasselbe Lied. Fate versuchte, sie zu sehen, aber die auf den Ring fokussierte Beleuchtung ließ diesen Bereich im Dunkel. Der Klang der Stimmen wirkte auf ihn feierlich und herausfordernd. Ein in der Dunkelheit angestimmter Abgesang auf einen verlorenen Krieg. In der Feierlichkeit lagen nur Verzweiflung und Tod, aber der herausfordernde Ton verriet einen ätzenden Humor, einen Humor, der nur um seiner selbst und der Träume willen existierte, gleichgültig, wie lang diese dauern mochten. Sonora-Jazz. Auf den unteren Plätzen stimmten auch einige in das Lied ein, aber viele waren es nicht. Dort unterhielt man sich lieber und trank Bier. Er sah einen Knirps in weißem Hemd und schwarzer Hose den Gang hinunterhüpfen. Er sah den Bierverkäufer das Lied trällernd den Gang heraufkommen. Eine Frau, die Hände in die Hüften gestemmt, lachte über das, was ein kleiner Mann mit einem winzigen Schnurrbärtchen zu ihr sagte. Der kleine Mann schrie und war doch kaum zu hören. Eine Gruppe von Männern machte den Eindruck, als würde sie sich nur durch Kaubewegungen unterhalten (die nichts als Verachtung oder Gleichgültigkeit ausdrückten). Ein Typ sah zu Boden, redete vor sich hin und lächelte. Alle schienen glücklich. Als hätte er eine Erleuchtung, begriff Fate in diesem Moment, dass fast alle in der Arena-Halle an den Sieg von Merolino Fernandez glaubten. Was machte sie so sicher? Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er eine Idee zu haben, warum, aber die Idee zerrann ihm wie Wasser zwischen den Fingern. Besser so, dachte er, denn der schlüpfrige Schatten der Idee (noch eine dumme Idee) hätte ihn vielleicht mit einem einzigen Hieb vernichten können.
    Dann endlich sah er sie. Chucho Flores gab ihm durch Zeichen zu verstehen, er solle sich zu ihnen setzen. Jetzt erkannte er die Blonde an seiner Seite. Er hatte sie ja schon einmal gesehen, aber diesmal war sie besser angezogen. Er kaufte ein Bier und quetschte sich durch die Sitzreihe. Die Blonde gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie nannte ihm ihren Namen, den er schon wieder vergessen hatte. Rosa Méndez. Chucho Flores stellte ihm die anderen beiden vor: Einen gewissen Juan Corona, den

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