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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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zwei Kameraleute. Der eine schien die Ereignisse auf dem zentralen Mittelgang zu filmen, der andere hatte sich auf ein Bänkchen gesetzt und versuchte ein Gebäckstück aus seiner Verpackung zu befreien. Fate betrat einen der überdachten Seitengänge. Er sah Leute Wetten abschließen, eine hochgewachsene Frau in hautengem Kleid mit zwei Männern rechts und links, die kleiner waren als sie, die rauchten und Bier tranken, die ihre Krawatten gelockert hatten und beide zugleich Zeichen mit den Fingern machten, als spielten sie ein Kinderspiel. Oberhalb der Zeltplane, die den Gang überdachte, befanden sich die billigen Plätze, und dort war das Getümmel noch größer. Er beschloss, einen Blick in die Umkleideräume und in den Presseraum zu werfen. In Letzterem traf er nur zwei mexikanische Journalisten, die ihm sterbende Blicke zuwarfen. Beide saßen mit klatschnass geschwitzten Hemden da. Am Eingang zur Umkleide von Merolino Fernandez sah er Omar Abdul. Er grüßte ihn, aber der Sparringspartner des Mexikaners tat, als kenne er ihn nicht, und unterhielt sich weiter mit einigen Mexikanern. Die Leute an der Tür sprachen von Blut, zumindest glaubte Fate das zu verstehen.
    »Worüber sprecht ihr?«, fragte er sie.
    »Über Stiere«, sagte einer der Mexikaner auf Englisch.
    Als er schon im Gehen war, hörte er jemanden seinen Namen rufen.
    Mr. Fate. Er drehte sich um und sah sich Omar Abduls breitem Grinsen gegenüber.
    »Grüßt du deine Freunde nicht mehr, Nigger?«
    Bei näherem Hinsehen fiel ihm auf, dass Omars Wangenknochen dunkelviolett verfärbt waren.
    »Merolino hat gut trainiert, wie ich sehe«, sagte er. »Berufsrisiko«, sagte Omar Abdul. »Kann ich deinen Chef sehen?«
    Omar Abdul schaute über die Schulter zurück zur Tür des Umkleideraums, schüttelte dann den Kopf und verneinte.
    »Wenn ich dich reinlasse, Bruder, muss ich auch all die anderen Schwuchteln reinlassen.«
    »Sind das Journalisten?«
    »Einige sind Journalisten, Bruder, aber die meisten wollen nur ein Foto von Merolino schießen und ihm an seine Fäuste und an seine Eier fassen.«
    »Und wie geht's dir sonst?«
    »Ich kann mich nicht beklagen, jedenfalls nicht allzu sehr«, sagte Omar Abdul.
    »Wohin gehst du nach dem Kampf?«
    »Feiern, schätze ich«, sagte Omar Abdul.
    »Nein, ich meinte nicht heute Nacht, sondern wenn das alles hier vorbei ist«, sagte Fate.
    Omar Abdul lächelte. Selbstsicher und herausfordernd. Strahlend wie ein Honigkuchenpferd, sofern man sich das Honigkuchenpferd nicht in einem gemütlichen Stall, sondern auf freiem Feld und während eines Wolkenbruchs vorstellte. Das Lächeln eines jungen Schwarzen, dachte Fate, aber auch ein zutiefst amerikanisches Lächeln.
    »Keine Ahnung«, sagte er, »einen Job suchen, einige Zeit in Sinaloa am Meer verbringen, mal sehen.«
    »Ich wünsche dir viel Glück«, sagte Fate.
    Als er sich schon zum Gehen gewandt hatte, hörte er Omar hinter sich sagen: Glück, das braucht Count Pickett heute Nacht. Als er in die Halle zurückkam, standen zwei neue Boxer im Ring, und leere Plätze gab es fast keine mehr. Er nahm den Weg über den Mittelgang zu der für die Presse reservierten Sitzreihe. Sein Platz war von einem Dickwanst besetzt, der, als er ihn ansprach, nur verständnislos glotzte. Fate zeigte ihm seine Eintrittskarte, und der Dicke stand auf und suchte in den Sakkotaschen, bis er seine fand. Sie hatten beide die gleiche Platznummer. Fate lächelte und der Dickwanst lächelte. In diesem Moment holte einer der Boxer seinen Gegner mit einem Haken von den Beinen, und viele der in der Halle Anwesenden sprangen auf und schrien. »Was machen wir jetzt?«, sagte Fate zum Dicken. Der zuckte die Schultern und verfolgte mit den Augen das Anzählen des Ringrichters. Der Boxer stand wieder auf, und die Zuschauer brüllten erneut.
    Fate hob nachgebend die Hand in Richtung Dickwanst und verließ die Sitzreihe. Als er wieder auf dem Mittelgang stand, hörte er seinen Namen rufen. Der Boxer, der wieder hochgekommen war, klammerte jetzt seinen Gegner. Dieser versuchte sich aus dem Clinch zu befreien, indem er zurückweichend ein Trommelfeuer gegen den Magen des anderen losließ. Hierher, Fate, hierher, schrie es. Der Ringrichter trennte die beiden. Der Boxer, der wieder hochgekommen war, täuschte einen Angriff an, wich aber in Erwartung des Gongs langsam zurück. Auch der andere wich zurück. Der angeschlagene Boxer trug eine weiße Hose, und sein Gesicht war blutig. Der andere trug eine

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