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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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wollte ihn nicht stören. In der Nähe des Tresens sah er Chucho Flores stehen und grüßte von weitem. Chucho Flores befand sich in Begleitung dreier Typen, die wie ehemalige Boxer aussahen, und sein Gruß fiel nicht besonders herzlich aus. Fate suchte sich einen unbesetzten Tisch auf der Terrasse und nahm Platz. Eine Zeitlang beobachtete er die Leute, die aufstanden und sich überschwänglich begrüßten oder quer über die Terrasse etwas zuriefen, er sah das Hin und Her der Fotografen, die ihre Kameras auf Personen abschossen, die sie nach Gutdünken gruppierten oder isolierten, sah das Defilee der besseren Gesellschaft von Santa Teresa, Gesichter, die ihm nichts sagten, junge, gutgekleidete Frauen, hochgewachsene Typen in Cowboystiefeln und Armani-Anzügen, junge Kerle mit blitzenden Augen und verkrampften Kiefern, die kein Wort sagten und sich darauf beschränkten, ihre Ablehnung oder Zustimmung durch Kopfbewegung auszudrücken, bis er es leid war, darauf zu warten, dass der Kellner ihm etwas zu trinken brachte, und sich ruppig einen Weg nach draußen bahnte, ohne sich umzuschauen und ohne sich um die ein, zwei oder drei spanischen Beleidigungen in seinem Rücken zu kümmern, die er nicht verstand, die aber, auch wenn er sie verstanden hätte, keinen hinreichenden Vorwand geliefert hätten, ihn zurückzuhalten.
    Er aß in einem Restaurant im Osten der Stadt, in einem kühlen, weinüberrankten Innenhof. Am hinteren Ende des Hofes standen vor einem Drahtzaun drei Tischfußballtische auf der nackten Erde. Minutenlang starrte er auf die Speisekarte, ohne etwas zu verstehen. Dann versuchte er es mit Zeichensprache, aber die Frau, die ihn bediente, brachte nur ein Lächeln und Schulterzucken zustande. Nach einer Weile erschien ein Mann, aber sein Englisch schien ihm noch unverständlicher. Er verstand nur das Wort Brot. Und das Wort Bier. Dann verschwand der Mann, und er blieb allein. Er stand auf und steuerte auf die Tischfußballtische am Ende des überrankten Innenhofs zu. Die Spieler der einen Mannschaft trugen weiße Hemden und grüne Hosen, sie hatten schwarzes Haar und eine milchige, sehr bleiche Haut. Die gegnerische Mannschaft war ganz in Rot und Schwarz gekleidet, und alle Spieler hatten buschige Bärte. Am seltsamsten fand er aber, dass den Spielern der roten Mannschaft kleine Hörner auf der Stirn saßen. Bei den beiden anderen Tischfußballtischen bot sich ihm das gleiche Bild.
    Am Horizont sah er einen Hügel in dunkelgelben und schwarzen Farben. Hinter dem Hügel vermutete er die Wüste. Er bekam Lust, aufzubrechen und dorthin zu laufen, aber als er wieder bei seinem Tisch anlangte, hatte die Frau ihm ein Bier und eine Art dickes Sandwich hingestellt. Er biss hinein und fand ihn nicht schlecht. Der Geschmack war eigenartig, ein wenig scharf. Aus Neugier nahm er die Brothälften auseinander: Im Sandwich herrschte ein buntes Durcheinander. Er nahm einen kräftigen Schluck Bier und streckte die Beine aus. Zwischen den Weinblättern über ihm entdeckte er eine reglose Biene. Zwei dünne Sonnenstrahlen trafen senkrecht auf den Erdboden. Als der Mann noch einmal wiederkam, fragte er ihn, wie man zu dem Hügel kam. Der Mann lachte. Er sagte ein paar Worte, die Fate nicht verstand, dann wiederholte er mehrmals nicht schön.
    »Nicht schön?«
    »Nicht schön«, sagte der Mann und lachte erneut.
    Dann nahm er ihn beim Arm und zog ihn zu einem Raum, der als Küche diente und Fate sehr aufgeräumt vorkam, alles an seinem Platz, die weißen Kacheln blitzblank, und zeigte auf den Mülleimer.
    »Der Hügel nicht schön?«, sagte Fate.
    Der Mann lachte erneut. »Der Hügel ist Müll?«
    Der Mann hörte nicht mehr auf zu lachen. Seinen linken Unterarm schmückte ein tätowierter Vogel. Aber nicht wie bei solchen Tätowierungen üblich ein fliegender Vogel, sondern ein Vogel, der auf einem Ast saß, ein kleiner Vogel, wahrscheinlich ein Sperling.
    »Der Hügel ist eine Müllhalde?«
    Der Mann lachte noch lauter und nickte zustimmend mit dem Kopf.
    Um sieben Uhr abends zeigte Fate seine Akkreditierung vor und betrat die Arena del Norte. Die Straße war voll mit Menschen und fliegenden Händlern, die Speisen, kalte Getränke und pugilistische Devotionalien verkauften. Drinnen hatten die ersten Vorkämpfe begonnen. Ein mexikanisches Bantamgewicht boxte gegen ein anderes mexikanisches Bantamgewicht, aber sie fanden nur wenig Aufmerksamkeit. Die Leute kauften kalte Getränke, unterhielten und begrüßten sich. Am Ring sah er

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