2666
Fate noch nie gesehen hatte und für einen weiteren Kollegen hielt, und eine außergewöhnlich schöne junge Frau namens Rosa Amalfitano. Das ist Charly Cruz, der Video-König, den du ja schon kennst, sagte Chucho Flores. Charly Cruz reichte ihm die Hand. Er war der Einzige, der ungeachtet des Trubels in der Halle sitzen blieb. Alle waren schick angezogen, als wollten sie nach dem Kampf zu einer Galaveranstaltung. Ein Sitz war noch frei, und nachdem sie ihn von ihren Jacken und Sakkos befreit hatten, nahm Fate dort Platz. Er fragte, ob sie noch auf jemanden warteten.
»Ja, wir haben noch auf eine Freundin gewartet«, rief Chucho ihm ins Ohr, »aber wie es aussieht, hat sie es sich im letzten Moment anders überlegt.«
»Wenn sie noch kommt, kein Problem«, sagte Fate, »dann stehe ich auf und gehe.«
»Nein, Mann, bleib hier bei deinen Freunden«, sagte Chucho Flores.
Corona fragte, aus welchem Teil der Vereinigten Staaten er sei. Aus New York, sagte Fate. Und was bist du von Beruf? Journalist. Damit war Coronas Englischvorrat erschöpft, und er sagte nichts mehr.
»Du bist der erste Schwarze, den ich kennenlerne«, sagte Rosa. Charly Cruz übersetzte. Fate lächelte. Rosa Méndez lächelte ebenfalls.
»Ich finde Denzel Washington toll«, sagte sie. Charly Cruz übersetzte, und Fate lächelte erneut.
»Ich war noch nie mit einem Schwarzen befreundet«, sagte Rosa Méndez, »ich habe welche im Fernsehen gesehen und manchmal auf der Straße, aber auf der Straße sieht man nicht viele Schwarze.« Charly Cruz sagte, so sei Rosita eben, nett und ein bisschen unschuldig. Fate war sich nicht klar, was er mit »ein bisschen unschuldig« meinte.
»In Mexiko gibt es nämlich nicht viele Schwarze«, sagte Rosa Méndez. »Die paar, die es gibt, leben in Veracruz. Kennst du Veracruz?« Charly Cruz übersetzte. Rosita wolle von ihm wissen, sagte er, ob er schon mal in Veracruz gewesen sei. Nein, nie, sagte Fate.
»Ich auch nicht. Nur einmal kurz, mit fünfzehn«, sagte Rosa Méndez, »aber ich kann mich an nichts erinnern. Als wenn mir in Veracruz was Schlimmes passiert wäre, und mein Gehirn hätte alles gelöscht, verstehst du?«
Diesmal war es Rosa Amalfitano, die dolmetschte. Dabei lächelte sie nicht wie Charly Cruz, sondern beschränkte sich darauf, Rosa Méndez' Worte vollkommen ernst zu übersetzen.
»Verstehe«, sagte Fate, ohne das Geringste zu verstehen.
Rosa Méndez sah ihn an, und er hätte nicht sagen können, ob diese Frau sich nur die Zeit vertrieb oder ihn an einem intimen Geheimnis teilhaben ließ.
»Irgendwas muss mir zugestoßen sein«, sagte Rosa Méndez, »ich erinnere mich nämlich an gar nichts. Ich weiß, dass ich dort war, nicht lange, drei, vielleicht bloß zwei Tage, aber ich habe überhaupt keine Erinnerung an die Stadt. Ist dir so was auch schon passiert?«
Wahrscheinlich ja, dachte Fate, aber anstatt es zuzugeben, fragte er zurück, ob sie denn Boxen möge. Rosa Amalfitano übersetzte die Frage, und Rosa Méndez sagte, manchmal, aber nicht immer, sei es sehr aufregend, vor allem wenn ein schöner Boxer im Ring stehe.
»Und du?«, fragte er die, die Englisch konnte.
»Ich weiß noch nicht«, sagte Rosa Amalfitano, »ich bin heute zum ersten Mal dabei.«
»Zum ersten Mal?«, rief Fate, ohne daran zu denken, dass auch er kein Boxexperte war.
Rosa Amalfitano lächelte und nickte. Dann zündete sie sich eine Zigarette an, und Fate nutzte die Gelegenheit, in eine andere Richtung zu schauen. Dabei begegnete er den Augen von Chucho Flores, die ihn anschauten, als sähe er ihn zum ersten Mal. Hübsches Mädchen, sagte neben ihm Charly Cruz. Fate äußerte, es sei ziemlich heiß. Ein Schweißtropfen rann an Rosa Méndez' rechter Schläfe herab. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Kleid, das zwei große Brüste und einen cremefarbenen BH sehen ließ. Trinken wir auf Merolino, sagte Rosa Méndez. Charly Cruz, Fate und Rosa Méndez stießen mit ihren Bierflaschen an, Rosa Amalfitano mit ihrem Pappbecher, der, wer weiß, Wasser oder Wodka oder Tequila enthielt. Fate wollte sie schon fragen, aber dann schien ihm diese Frage totaler Blödsinn. Frauen wie ihr stellte man nicht derartige Fragen. Chucho Flores und Corona waren die Einzigen aus der Gruppe, die stehen geblieben waren, als hofften sie, das Mädchen des frei gebliebenen Platzes werde vielleicht doch noch auftauchen. Rosa Méndez fragte ihn, ob ihm Santa Teresa sehr oder übermäßig gefalle. Rosa Amalfitano übersetzte. Fate verstand die
Weitere Kostenlose Bücher