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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Rebolledo und Ángel Fernandez dabei sein würden und dass man ihn außen vor ließ. Als Juan de Dios Martínez jedoch die Augen schloss, sah er nur den Körper von Elvira Campos im Halbdunkel ihrer Wohnung in Michoacán. Manchmal sah er sie im Bett, nackt, sich ihm nähernd. Andere Male sah er sie auf der Dachterrasse, von metallischen Gegenständen umgeben, phallischen Gegenständen, die sich als Teleskope verschiedenster Art entpuppten (obwohl es in Wirklichkeit nur drei Teleskope gab), durch die sie den Sternenhimmel von Santa Teresa betrachtete, um dann mit einem Bleistift etwas in einem Heft zu notieren. Als er sich ihr von hinten näherte und in das Heft schaute, sah er nur Telefonnummern, die meisten davon aus Santa Teresa. Der Bleistift war ein ganz gewöhnlicher Bleistift, das Heft ein Schulheft. Beide Gegenstände hatten, wie ihm schien, nichts mit den Gegenständen zu tun, die die Leiterin sonst benutzte. An diesem Abend, nachdem er von dem Treffen erfahren hatte, von dem er ausgeschlossen war, rief er sie an und sagte, er müsse sie unbedingt sehen. Ein Moment der Schwäche. Sie sagte, sie könne nicht, und legte auf. Juan de Dios Martínez dachte, dass die Leiterin ihn gelegentlich behandelte wie einen Patienten. Er erinnerte sich, dass sie einmal vom Alter gesprochen hatte, von ihrem und seinem Alter. Ich bin einundfünfzig, hatte sie gesagt, du bist vierunddreißig. In absehbarer Zeit, auch wenn ich mich noch so sehr pflege, werde ich eine einsame alte Schachtel sein, während du immer noch jung bist. Was willst du? Mit einer wie deiner Mama ins Bett hüpfen? Juan de Dios Martínez hatte sie nie umgangssprachliche Ausdrücke benutzen hören. Alte Schachtel? Er wäre, ganz ehrlich, nie auf die Idee gekommen, sie für alt zu halten. Weil ich Sport treibe wie eine Blöde, sagte sie. Weil ich meinen Körper pflege. Weil ich auf meine Linie achte und die teuersten Pflegeserien kaufe, die auf dem Markt sind. Pflegeserien? Kosmetika, Antifaltencremes, Frauenkram, sagte sie in einem kalten Ton, der ihn erschreckte. Du gefällst mir, wie du bist, sagte er. Seine Stimme erschien ihm nicht überzeugend. Wenn er jedoch die Augen öffnete und die wirkliche Welt betrachtete und sein Zittern erfolgreich unter Kontrolle brachte, war alles noch mehr oder weniger an seinem Platz.
    Pedro Rengifo ist also Drogenhändler?, fragte Lalo Cura. Allerdings, sagte Epifanio. Wenn mir das jemand gesagt hätte, ich hätte es nicht geglaubt, sagte Lalo Cura. Weil du noch ein junger Hüpfer bist, sagte Epifanio. Eine dicke alte Indianerin brachte für jeden einen Teller Pozole. Es war fünf Uhr morgens. Lalo Cura war die ganze Nacht mit einer Verkehrsstreife unterwegs gewesen. Als sie gerade an einer Ecke standen, klopfte jemand an die Scheibe. Weder Lalo Cura noch sein Kollege hatten ihn kommen sehen. Es war Epifanio, übernächtigt und seiner Miene nach zu urteilen betrunken, ohne aber betrunken zu sein. Ich nehme den Jungen mit, sagte er zu dem anderen Streifenpolizisten. Der zuckte die Achseln und blieb an der Ecke, unter ein paar Eichen mit weiß gestrichenen Stämmen, allein zurück. Epifanio war ohne Auto unterwegs. Die Nacht war frisch, und der Wind aus der Wüste sorgte für einen sternenklaren Himmel. Sie gingen in Richtung Innenstadt, schweigend, bis Epifanio fragte, ob er Hunger habe. Lalo Cura sagte ja. Dann lass uns was essen, sagte Epifanio. Als die dicke alte Indianerin ihnen den Maiseintopf servierte, starrte Epifanio auf den Tonteller, als hätte er auf seiner Oberfläche ein Spiegelbild gesehen, das nicht sein eigenes war. Weißt du, woher das Pozole kommt, Lalito?, fragte er. Nein, keine Ahnung, sagte Lalo Cura. Es ist kein Gericht aus dem Norden, sondern aus Zentralmexiko und typisch für DF. Die Azteken haben es erfunden, sagte er. Die Azteken? Lecker jedenfalls, sagte Lalo Cura. Hast du in Villaviciosa nie Pozole gegessen?, fragte Epifanio. Lalo Cura überlegte, als liege Villaviciosa lange zurück, und sagte dann, nein, eigentlich nicht, obwohl es ihm jetzt komisch vorkomme, dass er es erst hier in Santa Teresa probiert habe. Vielleicht habe ich es auch probiert und erinnere mich nicht mehr, sagte er. Jedenfalls ist dieses Pozole anders als das ursprüngliche Pozole der Azteken, sagte Epifanio. Ihm fehlt eine Zutat. Und welche Zutat wäre das?, fragte Lalo Cura. Menschenfleisch, sagte Epifanio. Erzähl keinen Mist, sagte Lalo Cura. Aber es stimmt, die Azteken haben das Pozole mit Menschenfleisch gekocht. Kann

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