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festen Zeiten geschah, außer dass die Reisen nie länger als drei Tage dauerten. Er hatte einige Jahre in Denver gelebt und war wegen einer Weibergeschichte von dort weggegangen. Er hatte eine Schwäche für Frauen, war aber dem Anschein nach weder verheiratet noch in festen Händen. Er besuchte regelmäßig Diskotheken und Bordelle im Zentrum und war mit einigen der Besitzer befreundet, in deren Läden er Überwachungskameras oder Buchhaltungsprogramme installiert hatte. Zumindest in einem Fall war der Junge sich ganz sicher, da er selbst die Sache programmiert hatte. Als Chef war er fair und anständig und bezahlte nicht schlecht, allerdings geriet er manchmal aus nichtigen Gründen in Wut und konnte dann ohne weiteres jedem eine Ohrfeige verpassen, egal um wen es sich handelte. Ihn hatte er nie geschlagen, nur gescholten, als er einmal zu spät zur Arbeit gekommen war. Wen hat er denn geohrfeigt? Eine Sekretärin, sagte der Junge. Auf die Frage, ob es sich bei der geohrfeigten Sekretärin um die aktuelle Sekretärin handele, antwortete der Junge nein, die vorige, die er nicht kennengelernt habe. Woher er dann wisse, dass er sie geohrfeigt habe? Weil das die älteren Angestellten gesagt hätten, die aus dem Depot, wo der Blonde einen Teil seiner Waren lagerte. Die Namen der Angestellten wurden fein säuberlich notiert. Zum Schluss zeigte Epifanio dem Jungen das Foto von Estrella Ruiz Sandoval. Hast du die im Laden gesehen? Der Junge betrachtete das Foto und sagte ja, ihr Gesicht komme ihm bekannt vor.
Der nächste Besuch, den Epifanio Klaus Haas abstattete, erfolgte gegen Mitternacht. Er klingelte und musste lange warten, bis jemand öffnete, obwohl noch Licht brannte. Das Haus lag in der von Angehörigen der Mittelschicht bewohnten Siedlung El Cerezal, einem Viertel mit vorwiegend ein- und zweistöckigen Häusern, von denen nicht alle Neubauten waren, wo man auf ruhigen, baumbestandenen Fußgängerwegen Brot und Milch einkaufen gehen konnte, in sicherer Entfernung vom Lärm der Siedlung Madero, die weiter außerhalb lag, und vom lauten Trubel der Innenstadt. Haas selbst öffnete die Tür. Er trug ein weißes Hemd, das über die Hose hing, und erkannte ihn erst nicht wieder, oder er tat so, als würde er ihn nicht wiedererkennen. Epifanio zeigte ihm seine Marke, so als spielten sie ein Spiel, und fragte, ob er sich noch an ihn erinnere. Haas fragte, was er wolle. Darf ich eintreten?, fragte Epifanio. Das Wohnzimmer war gediegen möbliert, mit Sesseln und einem großen weißen Sofa. Aus einem Barschrank nahm Haas eine Flasche Whisky und goss sich ein Glas ein. Ob er auch ein Glas wolle, fragte er. Epifanio schüttelte den Kopf. Ich bin im Dienst, sagte er. Haas stieß ein seltsames Lachen aus. Es war, als würde er chaaa oder tschaaa sagen, oder als würde er niesen, aber nur einmal. Epifanio setzte sich in einen der Sessel und fragte, ob er ein gutes Alibi für den Tag habe, an dem Estrella Ruiz Sandoval ermordet worden sei. Haas sah ihn von oben bis unten an und sagte nach einer Weile, dass er sich manchmal nicht einmal erinnern könne, was er am vorigen Abend gemacht habe. Sein Gesicht lief rot an, und seine Brauen sahen noch weißer aus, als sie in Wirklichkeit waren, als müsse er sich stark zusammenreißen. Ich habe zwei Zeugen, die behaupten, Sie mit dem Opfer gesehen zu haben, sagte Epifanio. Wer sind die beiden?, fragte Haas. Epifanio antwortete nicht. Er sah sich um und nickte anerkennend. Das muss Sie ein Vermögen gekostet haben, sagte er. Ich arbeite viel und verdiene ein wenig Geld, sagte Haas. Zeigen Sie es mir?, fragte Epifanio. Was?, fragte Haas. Das Haus, sagte Epifanio. Kommen Sie mir nicht so, Mann, sagte Haas, wenn Sie mein Haus durchsuchen wollen, bringen Sie mir einen Durchsuchungsbefehl. Bevor er ging, sagte Epifanio: Ich glaube, Sie haben das Mädchen umgebracht. Dieses und wer weiß wie viele noch. Hören Sie auf mit dem Schwachsinn, sagte Haas. Auf Wiedersehen, sagte Epifanio und reichte ihm die Hand. Hören Sie auf mit dem Schwachsinn, sagte Haas. Man merkt, dass Sie ein ganzer Kerl sind, sagte Epifanio schon in der Tür. Mann, Herrgott noch mal, hören Sie mit dem Schwachsinn auf und lassen Sie mich in Frieden, sagte Haas.
Durch Vermittlung eines Freundes bei der Polizei von Adobe kam er an eine Polizeiakte von Klaus Haas. So erfuhr er, dass Haas nicht immer in Denver gelebt hatte, sondern in Tampa, Florida, wo er von einer Frau namens Laurie Enciso wegen versuchter Vergewaltigung
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