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Bescheid, sagte er, aber nur, wenn du ein dickes Problem hast, nerv mich nicht mit Kleinscheiß. Ich bemühe mich, nicht zu nerven, sagte Haas. Hab ich schon gemerkt, sagte der Drogenhändler. In der Besuchszeit am nächsten Tag fragte ihn seine Anwältin, ob sie die nötigen Schritte einleiten solle, um ihn in seine Einzelzelle zurückzubringen. Haas sagte, es sei schon in Ordnung, früher oder später müsse er die Zelle sowieso verlassen, und besser man lerne sich rechtzeitig mit den Realitäten abzufinden. Was kann ich für dich tun?, fragte seine Anwältin. Besorg mir ein Handy, sagte Haas. Man wird dir im Gefängnis nicht so einfach ein Handy erlauben, sagte die Anwältin. Doch, doch, ganz einfach, sagte Haas. Besorg mir eins.
Eine Woche später bat er seine Anwältin um ein weiteres Handy und kurz darauf um noch eins. Das erste hatte er an jemanden verkauft, der wegen dreifachen Mordes einsaß. Der Typ war ein ganz gewöhnlicher, etwas untersetzter Bursche, der regelmäßig Geld von draußen bekam, wahrscheinlich damit er den Mund hielt. Haas sagte ihm, dass man seine Geschäfte am besten mit einem Handy kontrollieren könne, und der Typ zahlte ihm das Dreifache von dem, was das Handy ihn gekostet hatte. Das zweite hatte er an einen Metzger verkauft, der einen seiner Angestellten, einen fünfzehnjährigen Jungen, mit einem Fleischermesser getötet hatte. Auf die halb im Scherz gestellte Frage, warum er den Kleinen umgebracht habe, erwiderte er, weil der ihn beklaut und sein Vertrauen missbraucht habe. Da lachten die Häftlinge und fragten, ob nicht eher deswegen, weil der Kleine sich nicht von ihm habe missbrauchen lassen wollen. Mit gesenktem Kopf schüttelte der Metzger daraufhin mehrfach entschieden den Kopf, aber über seine Lippen kam kein Wort des Widerspruchs gegen diese Unterstellung. Vom Gefängnis aus wollte er seine beiden Metzgereien weiterführen, da er der Meinung war, seine Schwester, die derzeit die Geschäfte leitete, würde ihn bestehlen. Haas verkaufte ihm das Handy für das Fünffache seines eigentlichen Werts.
Haas teilte die Zelle mit fünf anderen Gefangenen. Das Sagen hatte ein Typ namens Farfán. Er war ungefähr vierzig, und Haas hatte noch nie einen hässlicheren Menschen gesehen. Der Haaransatz reichte bis tief in die Stirn, und er hatte Raubvogelaugen, die sich in etwas, das aussah wie ein Schweinsgesicht, verirrt hatten. Er war dickwanstig und stank. Er hatte ein unregelmäßig und spärlich sprießendes Bärtchen, in dem immer winzige Essensreste hingen. Wenn er, was selten vorkam, lachte, dann wie ein Esel, und nur in solchen Momenten wurde seine Visage erträglich. Als Haas in die Zelle kam, nahm er an, es würde nicht lange dauern, bis er sich mit ihm anlegte, tatsächlich aber legte sich Farfán nicht nur nicht mit ihm an, er schien vielmehr in einer Art Labyrinth gefangen, in dem alle Gefangenen immaterielle Wesen waren. Er hatte Freunde im Gefängnistrakt, harte Typen wie er, die ihn als Beschützer benutzten, aber er suchte immer nur die Nähe eines anderen Gefangenen, eines gewissen Gómez, der genauso hässlich war wie er selbst, ein dünner Typ mit einem Bandwurmgesicht, einem faustgroßen Muttermal auf der linken Wange und den glasigen Augen des Dauerkiffers. Gewöhnlich sahen sie sich im Hof und im Essraum. Im Hof grüßten sie sich mit einem Kopfnicken, und auch wenn sie an einer größeren Runde teilnahmen, sonderten sie sich früher oder später ab und lehnten dann an der Wand und sonnten sich oder schlenderten gedankenverloren vom Basketballplatz zum Zaun. Untereinander sprachen sie wenig, vielleicht weil sie sich nicht viel zu sagen hatten. Bei seiner Ankunft im Gefängnis war Farfán so arm, dass nicht einmal der Pflichtverteidiger ihn aufsuchte. Gómez dagegen, der wegen des Plünderns von Lastwagen saß, hatte einen Anwalt, und nachdem sie sich kennengelernt hatten, schaffte er es, dass sein Anwalt Farfán Papierkram erledigte. Das erste Mal, dass sie es miteinander trieben, geschah in einem Anbau der Küche. Eigentlich war es so, dass Farfán Gómez vergewaltigte. Er schlug ihn, warf ihn gegen ein paar Säcke und vergewaltigte ihn zweimal. Gómez' Wut war so groß, dass er den Plan fasste, Farfán zu töten. Eines Nachmittags lauerte er ihm in der Küche auf, Farfáns Arbeitsstelle, wo er Geschirr spülte und Säcke mit Bohnen schleppte, und versuchte, ihn mit einem Eispickel zu erstechen, aber Farfán setzte ihn ohne Mühe außer Gefecht. Wieder
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