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vielleicht bin, aber mit jedem Tag weniger. Was wollen Sie mir damit sagen?, fragte Sergio González. Dass sie im Gefängnis wissen, dass ich unschuldig bin, sagte Haas. Und woher wissen sie das?, fragte Haas. Das herauszufinden hat etwas länger gedauert. Es ist wie ein Geräusch, das man im Traum hört. Der Traum, wie alle Träume, die in geschlossenen Räumen geträumt werden, ist ansteckend. Irgendwann träumt ihn einer, und nach einer Weile das halbe Gefängnis. Aber das Geräusch, das jemand gehört hat, ist nicht Teil des Traums, sondern der Realität. Das Geräusch gehört zu einer anderen Ordnung der Dinge. Verstehen Sie? Einer und dann alle haben im Traum ein Geräusch gehört, aber das Geräusch ist nicht im Traum entstanden, sondern in der Realität, das Geräusch ist real. Verstehen Sie? Ist Ihnen das klar, Herr Journalist? Ich denke ja, sagte Sergio González. Ich denke, ich verstehe, was Sie meinen. Ja, tun Sie das wirklich?, fragte Haas. Sie wollen sagen, dass es im Gefängnis jemanden gibt, der mit Sicherheit weiß, dass Sie die Morde nicht begehen konnten, sagte Sergio. Genau, sagte Haas. Und wissen Sie, wer dieser Jemand ist? Ich habe einen Verdacht, sagte Haas, aber ich brauche mehr Zeit, was in meinem Fall paradox klingt, nicht wahr? Warum?, fragte Sergio. Weil das Einzige, was ich hier reichlich habe, Zeit ist. Aber ich brauche noch mehr Zeit, viel mehr, sagte Haas. Anschließend wollte Sergio Haas nach seinem Geständnis fragen, nach dem Datum für seinen Prozess, nach seiner Behandlung durch die Polizei, aber Haas sagte, darüber würden sie ein andermal reden.
In derselben Nacht machte Kommissar José Márquez seinem Kollegen Juan de Dios Martínez vertraulich Mitteilung von einem Gespräch, das er in einem Büro der Polizeizentrale von Santa Teresa ungewollt mit angehört hatte. Zugegen gewesen waren Pedro Negrete, die Kommissare Ángel Fernandez und Ortiz Rebolledo und Negretes Leibwächter Epifanio Galindo, obwohl Letzterer, um ehrlich zu sein, als Einziger kein Wort gesagt hatte. Gegenstand des Gesprächs war die Pressekonferenz, die der Untersuchungshäftling Klaus Haas gegeben hatte. Für Ortiz Rebolledo lag die Schuld beim Gefängnisdirektor. Sicher habe Haas ihm Geld gegeben. Ángel Fernandez pflichtete ihm bei. Pedro Negrete sagte, wahrscheinlich stecke mehr dahinter. Ein zusätzlicher Anstoß, der den Willen des Gefängnisdirektors in die eine oder andere Richtung lenken konnte. Dann fiel der Name Enrique Hernández. Ich glaube, dass Enriquito Hernández den Direktor bequatscht hat, sagte Negrete. Möglich, sagte Ortiz Rebolledo. Dieses gottverdammte Arschloch, sagte Ángel Fernandez. Das war alles. In dem Moment hatte José Márquez das Büro betreten, in dem das Gespräch stattfand, hatte gegrüßt und Anstalten gemacht, zu bleiben, doch hatte Ortiz Rebolledo ihm mit einer Geste zu verstehen gegeben, dass er besser wieder verschwinde, und als er draußen war, schloss Ortiz Rebolledo persönlich hinter ihm ab, damit sie nicht noch einmal gestört wurden.
Enrique Hernández war sechsunddreißig. Er hatte eine Zeitlang für Pedro Rengifo, später für Estanislao Campuzano gearbeitet. Er stammte aus Cananea, und als er genug Geld beisammenhatte, kaufte er sich in der Umgebung eine Farm, auf der er Rinder züchtete, und ein Haus im Zentrum der Stadt, das beste, das er finden konnte, nur wenige Meter vom Marktplatz entfernt. Auch alle seine Vertrauten stammten aus Cananea. Man nahm an, dass er die Drogen, die übers Meer nach Sonora gelangten, irgendwo zwischen Guaymas und Cabo Tepoca in Empfang nahm und mit seinem Fuhrpark aus fünf Lastwagen und drei Suburbans abtransportierte. Seine Aufgabe war es, die Ware in Santa Teresa abzuliefern, von wo aus jemand anders sie in die Vereinigten Staaten weitertransportierte. Eines Tages aber traf Enriquito Hernández mit einem am Geschäft beteiligten Salvadorianer zusammen, der wie er unabhängig werden wollte, und der Salvadorianer brachte ihn mit einem Kolumbianer zusammen, und auf einmal stand Estanislao Campuzano in Mexiko ohne Transporteur da und hatte stattdessen in Enriquito einen neuen Konkurrenten. Der Umfang ihrer Geschäfte war nicht vergleichbar. Für jedes Kilo Rauschgift, das Enriquito verschob, verschob Campuzano zwanzig, aber Rachsucht kennt keine Verhältnismäßigkeit, und also wartete Campuzano ruhig und geduldig auf seine Gelegenheit. Selbstverständlich war ihm nicht daran gelegen, Enriquito in Verbindung mit
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