Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2666

2666

Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
Vom Netzwerk:
worden. Juan de Dios Martínez nahm sich der Aufklärung eines schweren Raubüberfalls an. Innerhalb von zwei Tagen hatte er die Schuldigen gefasst. Im Gefängnis von Santa Teresa beging ein einundzwanzigjähriger Untersuchungshäftling Selbstmord. Der US-amerikanische Konsul Conan Mitchell fuhr zur Jagd auf die Ranch des Unternehmers Conrado Padilla in den Ausläufern der Sierra. Dort traf er seine Freunde, Pedro Negrete, den Rektor der Universität und den Banker Juan Salazar Crespo, außerdem einen gewissen René Alvarado, den keiner kannte, einen kleinen untersetzten Typ mit roten Haaren, der kein einziges Mal mit ihnen zur Jagd ging, weil er erklärte, Waffen würden ihn nervös machen, außerdem habe er Liebeskummer. Dieser René Alvarado stammte aus Guadalajara, und nach allem, was er erzählte, machte er Geschäfte an der Börse. Morgens, wenn die anderen auf die Jagd gingen, nahm Alvarado in eine Decke gehüllt in einem Sessel auf der Terrasse Platz, mit Blick auf die Berge und immer mit einem Buch in der Hand.
    Im Juni wurde eine Tänzerin der Bar El Pelícano ermordet. Augenzeugen sagten aus, die Sängerin habe sich im Hinterzimmer befunden und dort halbnackt getanzt, als ihr Ehemann, Julian Centeno, auftauchte und, ohne dass zwischen ihnen ein Wort gefallen wäre, vier Schüsse auf sie abfeuerte. Die Tänzerin, bekannt unter dem Namen Paula oder Paulina, in anderen Lokalen der Stadt auch als Norma, brach ohnmächtig zusammen und erlangte das Bewusstsein auch nicht wieder, obwohl zwei ihrer Kolleginnen sie zu reanimieren versuchten. Als der Krankenwagen eintraf, war sie tot. Den Fall leitete Ortiz Rebolledo, der im Morgengrauen vor der Wohnung von Julian Centeno stand und sie leer vorfand, mit deutlichen Anzeichen einer überstürzten Flucht. Besagter Julian Centeno war achtundvierzig, die Tänzerin nach Auskunft ihrer Kolleginnen nicht älter als dreiundzwanzig. Er stammte aus Veracruz, sie aus DF, und sie waren vor ein paar Jahren zusammen nach Sonora gekommen. Äußerungen der Tänzerin zufolge waren sie rechtmäßig verheiratet. Anfangs wusste niemand, wie Paula oder Paulina mit Nachnamen hieß. Bei ihr zu Hause, einer winzigen Wohnung mit wenigen Möbeln in der Calle Lorenzo Covarrubias 79, Siedlung Madero-Norte, fanden sich keinerlei Papiere, aus denen ihre Identität zu entnehmen war. Möglich, dass Centeno sie verbrannt hatte, aber Ortiz Rebolledo neigte eher zu der Ansicht, dass Paulina die letzten Jahre ohne irgendwelche persönlichen Dokumente gelebt hatte, die ihre Existenz beglaubigen konnten, was bei Nachtclubtänzerinnen und nomadisierenden Prostituierten nicht unüblich war. Ein Fax vom polizeilichen Melderegister in DF informierte sie jedoch, dass Paulina mit vollem Namen Paula Sánchez Garcés hieß. Ihre Akte verzeichnete mehrere Verhaftungen wegen unerlaubter Prostitution, ein Beruf, dem sie offenbar seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr nachging. Ihre Kolleginnen aus dem Pelícano erzählten, dass sich das Opfer kürzlich in einen Kunden verliebt habe, von dem sie nur den Taufnamen wussten, Gustavo, und dass sie Centeno verlassen wollte, um mit ihm zusammenzuleben. Die Suche nach Centeno blieb erfolglos.
    Wenige Tage nach dem Mord an Paula Sánchez Garcés wurde an der Hauptstraße nach Casas Negras die Leiche eines etwa siebzehnjährigen, ein Meter siebzig großen, schmal gebauten, langhaarigen Mädchens entdeckt. Ihr Körper wies drei durch einen spitzen, scharfen Gegenstand verursachte Verletzungen auf, außerdem Abschürfungen an Hand- und Fußgelenken sowie Quetschungen am Hals. Ursächlich für ihren Tod war nach Aussage des Gerichtsmediziners eine der Stichverletzungen. Sie trug ein rotes Top, einen weißen BH, einen schwarzen Slip und rote, hochhackige Schuhe, jedoch weder Rock, noch Hose. Nachdem man an Vagina und Anus einen Abstrich vorgenommen hatte, kam man zu dem Schluss, dass das Opfer vergewaltigt worden war. Später fiel einem Assistenten des Gerichtsmediziners auf, dass die Schuhe, die die Tote trug, mindestens zwei Nummern zu groß waren. Ausweispapiere fand man keine, und der Fall wurde abgeschlossen.
    Ende Juni entdeckte man ausgangs der Siedlung El Cerezal an der Hauptstraße nach Pueblo Azul die Leiche einer weiteren Unbekannten. Die Tote war eine etwa einundzwanzigjährige Frau, von Messerstichen regelrecht zersiebt. Siebenundzwanzig Einstiche, tiefe und weniger tiefe zusammengenommen, zählte später der Gerichtsmediziner. Einen Tag nach dem Auftauchen der Leiche

Weitere Kostenlose Bücher