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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Mieter von Nr. 677. Zwei Zeugen, einer davon ein bekannter Polizeispitzel, erklärten, sie hätten in der Woche von Estefanías und Herminias Entführung Sebastián Rosales in einem schwarzen Peregrino gesehen. Rosales selbst sagte aus, es habe sich um einen gerade geklauten Wagen gehandelt. Im Besitz der Bisons fand man drei Feuerwaffen: Zwei Pistolen CZ Modell 85 vom Kaliber .9 und eine deutsche Heckler & Koch. Ein anderer Zeuge sagte jedoch aus, Carlos Camilo Alonso habe damit geprahlt, eine Smith & Wesson zu besitzen, wie sie bei der Ermordung der Schwestern Verwendung fand. Wo war die Waffe? Derselbe Zeuge gab an, Carlos Camilo habe ihm gesagt, er hätte sie an US-amerikanische Drogenhändler aus seiner Bekanntschaft verkauft. Nachdem man die Bisons festgenommen hatte, stellte sich zudem zufällig heraus, dass einer von ihnen, Roberto Aguilera, der jüngere Bruder eines gewissen Jesús Aguilera war, Häftling in der Strafanstalt von Santa Teresa mit Spitzname Tequila und enger Freund und Protegé von Klaus Haas. Die Schlussfolgerungen ließen nicht lange auf sich warten. Es sei sehr wahrscheinlich, so die Polizei, dass es sich bei den von den Bisons verübten Morden um Auftragsmorde handelte. Haas habe, so ihre Hypothese, dreitausend Dollar für jede Tote gezahlt, die gewisse äußerliche Ähnlichkeiten zu seinen Opfern besaß. Schon bald bekam die Presse von der Sache Wind. Stimmen wurden laut, die eine Entlassung des Gefängnisdirektors verlangten. Das Gefängnis sei in der Hand organisierter Verbrecherbanden, hieß es, und an ihrer Spitze stehe Enriquito Hernández, der Drogenbaron von Cananea und eigentliche starke Mann in der Strafanstalt, von der aus er weiter ungestraft seine Geschäfte kontrollierte. In La Tribuna de Santa Teresa erschien ein Artikel, der Enriquito Hernández und Haas gemeinschaftlichen Drogenhandel unter dem Deckmantel eines legalen grenzüberschreitenden Im- und Exportgeschäfts mit Computern unterstellte. Der Artikel trug keine Unterschrift, und der Journalist, der ihn verfasst hatte, war Haas nur ein einziges Mal in seinem Leben begegnet, was ihn nicht daran hinderte, Haas Sätze in den Mund zu legen, die dieser nie geäußert hatte. Die Serienmorde an Frauen sind aufgeklärt, verkündete Santa Teresas Oberbürgermeister, José Refugio de las Heras, im Fernsehen von Hermosillo (mit Wiederholung in den Nachrichten der großen Sendeanstalten von DF), alles, was in Zukunft geschieht, fallt in die Rubrik gewöhnliche und alltägliche Verbrechen, wie sie in einer ständig wachsenden und sich entwickelnden Stadt unvermeidlich sind. Mit den Psychopathen ist Schluss.
    Eines Abends, er las gerade George Steiner, bekam er einen Anruf, den er zuerst nicht zuordnen konnte. Eine sehr aufgeregte Stimme mit ausländischem Akzent sagte, das sei alles gelogen, alles abgekartet, aber nicht so, als hätte sie gerade erst angerufen, sondern als redete sie schon seit einer halben Stunde. Was wollen Sie? fragte er, mit wem wollen Sie sprechen? Sind Sie Sergio González? fragte die Stimme. Bin ich. Wie geht's denn, alter Schurke, sagte die Stimme. Scheint, als käme sie von weit her, dachte Sergio. Wer spricht denn? Ja Donnerwetter, erkennen Sie mich denn nicht? sagte die Stimme leicht verwundert. Klaus Haas? sagte Sergio. Am anderen Ende der Leitung hörte er ein Lachen und dann so einen metallischen Wind, das Geräusch der Wüste und das Geräusch der Gefängnisse in der Nacht. Genau der, Alter, ich sehe, Sie haben mich nicht vergessen. Nein, ich habe Sie nicht vergessen, sagte Sergio. Wie könnte ich Sie vergessen? Ich habe wenig Zeit, sagte Haas. Ich wollte nur sagen, dass dieses Gerücht, ich hätte die Bisons bezahlt, nicht wahr ist. Ich müsste eine Menge Schotter haben, um so viele Morde zu bezahlen. Schotter? sagte Sergio. Geld, sagte Haas. Ich bin mit Tequila befreundet, einer durchgeknallten Type, den sie hier so nennen, und Tequila ist der Bruder von einem der Bisons. Aber das ist alles. Mehr ist nicht, ich schwör's Ihnen, sagte die Stimme mit ausländischem Akzent. Erzählen Sie das Ihrer Anwältin, sagte Sergio, ich schreibe nicht mehr über die Morde in Santa Teresa. Haas am anderen Ende lachte. Das sagen mir alle. Erzählen Sie das dem, erzählen Sie das jenem. Meine Anwältin weiß es schon, sagte er. Ich kann nichts für Sie tun, sagte Sergio. Was Sie nicht sagen, das sehe ich anders, sagte Haas. Dann hörte Sergio wieder die Rohrleitungsgeräusche, Kratzgeräusche und die orkanartigen

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