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diesem Zusammenhang bloß ein Symptom. Im Falle von Santa Teresa ein virulentes Symptom, aber eben doch nur ein Symptom. Der General reagierte beschwichtigend. Er sagte, er glaube nicht, dass die derzeitige Korruption größer sei als die unter früheren Regierungen. Verglichen mit der Korruption, die beispielsweise unter der Regierung von Miguel Alemán geherrscht habe, sei sie gering, auch geringer als die während der sechsjährigen Regierung von López Mateos. Vielleicht sei die Verzweiflung heute größer, aber nicht die Korruption. Der Drogenhandel, gab er zu, sei etwas Neues, aber der tatsächliche Stellenwert des Drogenhandels in der mexikanischen (wie übrigens auch in der US-amerikanischen) Gesellschaft werde überschätzt. Das Einzige, was man brauche, um Snuff-Movies zu produzieren, sagte er, sei Geld, nichts als Geld, und Geld habe es gegeben, schon bevor der Drogenhandel und auch die Pornoindustrie sich hier festgesetzt hätten, und trotzdem sei der Film, der berühmte Film nicht gedreht worden. Möglicherweise haben Sie ihn nicht gesehen, General, sagte Macario López. Der General lachte, und sein Lachen verhallte zwischen den Beeten des dunklen Gartens. Ich habe alles gesehen, mein lieber Macario, antwortete er. Bevor sie gingen, meinte der alte Sensationsreporter noch, er habe bei ihrem Eintreffen in dem alten, ummauerten Haus gar keinen Leibwächter zu begrüßen das Vergnügen gehabt. Der General erwiderte, aus dem einfachen Grund, weil er keine Leibwächter mehr habe. Und warum nicht, mein General? fragte der Journalist. Sind Ihre Feinde zu Kreuze gekrochen? Die Sicherheitsdienste werden mit jedem Tag teurer, Macario, sagte der General, während er sie auf einem von Bougainvilleen gesäumten Weg zur Tür begleitete, und ich ziehe es vor, meine kargen Ersparnisse auf angenehmere Zeitvertreibe zu verwenden. Und wenn man Sie überfällt? Der General griff mit der Hand unter die Schulter und zeigte den Journalisten eine israelische Desert Eagle Kaliber .50 Magnum mit einem Magazin zu sieben Schuss. Ich habe, sagte er, immer zwei Ersatzmagazine in der Tasche. Aber ich glaube nicht, dass ich sie brauchen werde, sagte er, ich bin zu alt, und meine Feinde müssen glauben, dass ich längst die Malven auf dem Friedhof füttere. Es gibt sehr nachtragende Menschen, bemerkte Macario López Santos. Das ist richtig, Macario, sagte der General, wir in Mexiko sind weder gute Gewinner noch gute Verlierer. Klar, verlieren heißt hier sterben, und gewinnen heißt manchmal auch sterben, darum fällt es schwer, sportlich zu bleiben, aber gut, sinnierte der General, einige von uns bleiben standhaft. Ah, mein General, lachte Macario López Santos.
Im Januar 1997 wurden fünf Angehörige der Bison-Gang verhaftet. Man beschuldigte sie mehrerer, in der Zeit nach Haas' Festnahme begangener Morde. Die Verhafteten waren Sebastián Rosales, neunzehn, Carlos Camilo Alonso, zwanzig, René Gardea, siebzehn, Julio Bustamante, neunzehn, und Roberto Aguilera, zwanzig Jahre alt. Alle fünf waren wegen Sexualdelikten vorbestraft, zwei von ihnen, Sebastián Rosales und Carlos Camilo Alonso, hatten schon einmal wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen, Sebastiáns Cousine María Inés Rosales, in Untersuchungshaft gesessen, doch hatte das Mädchen damals wenige Monate nach der Festnahme ihres Vetters die Anklage zurückgezogen. Von Carlos Camilo Alonso hieß es, er sei der Mieter der Wohnung in der Calle García Herrero, in der man die Leichen von Estefanía und Herminia entdeckt hatte. Gegen die fünf wurde Anklage erhoben wegen der Entführung, Vergewaltigung, Folterung und Ermordung der beiden im Barranco de Podestá gefundenen Frauen, außerdem wegen Mordes an Marisol Camarena, deren Leiche man in einem Fass mit Säure gefunden hatte, an Guadalupe Elena Blanco sowie an den Schwestern Estefanía und Herminia. Bei dem Verhör, dem sie unterzogen wurden, verlor Carlos Camilo Alonso, angeblich infolge eines versuchten Selbstmords, sämtliche Zähne und erlitt einen Bruch der Nasenscheidewand. Roberto Aguilera trug vier gebrochene Rippen davon. Julio Bustamente wurde zu zwei Schwulen in eine Zelle gesteckt, die ihn von hinten nahmen, bis sie die Lust verloren, ihm obendrein alle drei Stunden eine Tracht Prügel verabreichten und die Finger der linken Hand brachen. Man führte eine Gegenüberstellung mit den fünf Verdächtigen durch, und von den zehn Anwohnern der Calle García Herrero erkannten nur zwei Carlos Camilo Alonso als den
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