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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Bubis' Freunden und von Bubis' Verlagsprogramm. Und jedes Mal, wenn Archimboldi einen Punkt machte, lachten er und Ingeborg, als erzählten sie sich unwiderstehlich komische Geschichten. Dann begann Archimboldi ernsthaft mit der Arbeit an seinem neuen Buch, und in weniger als drei Monaten war er fertig.
    Lüdicke hatte die Druckerei noch nicht verlassen, als Bubis das Manuskript von Die grenzenlose Rose erhielt, das er in zwei Nächten durchlas, wonach er, tief verstört, seine Frau weckte, um ihr zu sagen, dass sie das neue Buch von diesem Archimboldi würden veröffentlichen müssen.
    »Ist es gut?«, fragte die Baroness verschlafen und ohne sich aufzurichten.
    »Mehr als das«, sagte Bubis, während er im Zimmer auf und ab lief. Dann begann er, ohne einen Moment innezuhalten, über Europa zu reden, über griechische Mythologie und über etwas, das vage einer polizeilichen Ermittlung ähnelte, aber die Baroness schlief wieder ein und hörte ihn nicht mehr.
    Die restliche Nacht über versuchte Bubis, der häufig an Schlaflosigkeit litt und daraus den größtmöglichen Nutzen zu ziehen wusste, andere Manuskripte zu lesen, versuchte, seine Buchhaltung zu überprüfen, versuchte, Briefe an seine Vertreter zu schreiben, alles vergeblich. Beim ersten Tageslicht weckte er seine Frau erneut und nahm ihr das Versprechen ab, sie dürfe, wenn er nicht mehr an der Spitze des Verlags stünde, euphemistische Umschreibung seines Todes, diesen Archimboldi nie im Stich lassen.
    »In welcher Hinsicht nicht im Stich lassen?«, fragte die Baroness noch ganz verschlafen.
    Bubis zögerte mit der Antwort.
    »Ihn beschützen«, sagte er dann.
    Und fügte nach einigen Sekunden hinzu:
    »Ihn beschützen, soweit es in unserer verlegerischen Macht steht.« Die letzten Worte erreichten Baroness von Zumpe nicht mehr, da sie wieder eingeschlafen war. Bubis betrachtete eine Weile ihr Gesicht, das einem präraffaelitischen Bildnis ähnelte. Dann erhob er sich vom Fußende des Bettes und ging im Bademantel in die Küche, wo er sich ein Sandwich mit Käse und Mixed Pickles machte, wie er es in England von einem im Exil lebenden Österreicher gelernt hatte.
    »So einfach zuzubereiten, und so gesund«, hatte der Österreicher gesagt.
    Einfach, zweifellos. Und lecker, und eigenartig im Geschmack. Aber sicher nicht gesund, dachte Jacob Bubis, eine solche Kost verlangte einen stählernen Magen. Dann ging er ins Wohnzimmer und zog die Vorhänge auf, um das graue Morgenlicht hereinzulassen. Gesund, gesund, gesund, dachte Bubis, während er zerstreut sein Sandwich kaute. Wir brauchen etwas Gesünderes als ein Käsesandwich mit essigsauren Zwiebelchen. Aber wo danach suchen, wo es finden, und was damit anstellen, wenn wir es gefunden haben? In diesem Moment hörte er die Tür des Dienstboteneingangs und lauschte mit geschlossenen Augen den leichten Schritten des Dienstmädchens, das jeden Morgen kam. Stundenlang hätte er so dastehen mögen. Eine Statue. Statt dessen ließ er das Sandwich auf dem Tisch liegen und ging ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen und einen weiteren Arbeitstag zu beginnen.
    Lüdicke erwarb sich zwei wohlwollende Rezensionen und einen Verriss; insgesamt verkaufte sich die erste Auflage des Buches dreihundertfünfzigmal. Die grenzenlose Rose, die fünf Monate später erschien, bekam eine gute und zwei schlechte Kritiken und wurde zweihundertfünfmal verkauft. Kein anderer Verleger hätte sich getraut, ein drittes Buch von Archimboldi zu veröffentlichen, aber Bubis war nicht nur gewillt, sein drittes Buch zu veröffentlichen, sondern auch sein viertes, fünftes und alle, die es zu veröffentlichen gäbe und die Archimboldi ihm anzuvertrauen für richtig befand.
    In dieser Zeit besserte sich Archimboldis ökonomische Situation ein wenig, ein ganz klein wenig. Das Kölner Kulturamt bezahlte ein Honorar für zwei Lesungen in zwei Buchhandlungen, deren Inhaber, das sollte man vielleicht erwähnen, Herrn Bubis persönlich kannten, Lesungen, die übrigens kein größeres öffentliches Interesse weckten. An der ersten, bei der der Autor ausgewählte Stellen aus seinem Roman Lüdicke las, nahmen, Ingeborg eingerechnet, fünfzehn Personen teil, und nur drei wagten es am Ende, das Buch zu kaufen. An der zweiten Lesung von ausgewählten Passagen aus Die grenzenlose Rose nahmen neun Personen teil, auch hier Ingeborg eingerechnet, und am Ende befanden sich im Raum, dessen geringe Ausmaße die Peinlichkeit milderte, noch drei Personen, eine davon

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