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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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diesem Fall, sagte Archimboldi, ein irreführendes Exempel gewesen wäre, denn er habe einige rumänische Soldaten nackt gesehen, und ihre Geschlechtsteile unterschieden sich in keiner Weise vom, sagen wir: Deutschen Durchschnitt, wogegen der Penis General Entrescus, schlaff und maulbeerfarben, wie es sich für einen Erschlagenen und anschließend Gekreuzigten gehörte, das Zwei- bis Dreifache eines gewöhnlichen Schwanzes maß, sei dieser nun rumänisch, deutsch oder, um irgendein Beispiel zu nehmen, französisch.
    Nach diesen Worten verstummte Archimboldi, und die Baroness sagte, ein solcher Tod hätte dem mutigen General durchaus gefallen. Und, fügte sie hinzu, Entrescu sei trotz der militärischen Erfolge, die man ihm zuschrieb, als Taktiker und Stratege eine Katastrophe gewesen, als Liebhaber dagegen der beste, den sie je gehabt habe.
    »Nicht wegen der Größe seines Schwanzes«, ergänzte die Baroness, um bei Archimboldi, der neben ihr im Bett lag, kein Missverständnis aufkommen zu lassen, »sondern aufgrund einer Art von zoomorpher Fähigkeit: Als Gesprächspartner war er amüsanter als ein Rabe, und im Bett verwandelte er sich in einen Stachelrochen.«
    Dazu meinte Archimboldi, nach allem, was er bei dem kurzen Besuch mitbekommen habe, den Entrescu und sein Gefolge dem Schloss in den Karpaten abgestattet hatten, glaube er, der Rabe sei wohl eher Popescu, sein Sekretär, gewesen, eine Meinung, der die Baroness sofort widersprach, für die Popescu bestenfalls ein Kakadu war, ein Kakadu, der hinter einem Löwen herflog. Nur dass der Löwe keine Krallen besaß, oder wenn er welche besaß, dass er sie nicht benutzte, und keine Fangzähne, um jemanden zu zerreißen, lediglich eine ziemlich lächerliche Auffassung von seinem Schicksal, einem Schicksal und Schicksalsbegriff, die gewissermaßen ein Echo des Schicksals und Schicksalsbegriffs von Byron waren, eines Dichters, den Archimboldi wegen eines dieser Zufälle, für die öffentliche Bibliotheken gut sind, gelesen hatte und den mit dem abscheulichen General gleichzusetzen ihm unter keinen Umständen möglich schien, nicht einmal als Echo, und nebenbei fügte er hinzu, dass man den Schicksalsbegriff unmöglich vom Schicksal des Individuums (eines armseligen Individuums) ablösen könne, sondern dass beides an sich das Gleiche sei: Schicksal, erst ungreifbare, dann unabänderliche Entität sei der Begriff, den jeder von seinem eigenen Schicksal habe.
    Worauf die Baroness mit einem Lächeln sagte, man merke daran, dass Archimboldi nie mit Entrescu gevögelt habe. Was Archimboldi veranlasste, ihr zu gestehen, dass sie recht habe, dass er nie mit Entrescu im Bett, dafür aber Augenzeuge einer der berühmten Begattungen des Generals gewesen sei.
    »Meiner, vermute ich«, sagte die Baroness.
    »Du vermutest richtig«, sagte Archimboldi.
    »Und wo warst du?«, fragte die Baroness.
    »In einem Geheimgang«, sagte Archimboldi.
    Daraufhin wurde sie von einem unbändigen Lachen gepackt, und unter Juchzen sagte sie, es wundere sie gar nicht, dass er sich als Pseudonym den Namen Archimboldi zugelegt habe. Eine Bemerkung, die Archimboldi nicht verstand, die er aber positiv aufnahm, um alsbald in ihr Lachen einzustimmen.
    Also kehrte Archimboldi nach Ablauf von drei sehr lehrreichen Tagen in einem Nachtzug nach Köln zurück, der so voll war, dass die Leute sogar in den Gängen schliefen, und schon bald war er wieder in seiner Dachkammer und erzählte Ingeborg von den ausgezeichneten Neuigkeiten, die er aus Hamburg mitgebracht hatte, Neuigkeiten, die, dermaßen geteilt, beide mit solcher Freude erfüllten, dass sie spontan zu singen und zu tanzen begannen, ohne Angst, dass der Boden unter ihren Sprüngen nachgeben könnte. Dann schliefen sie miteinander, und Archimboldi erzählte ihr vom Verlag, von Jacob Bubis, der Frau Bubis, der Lektorin, die Ute hieß und imstande war, die Grammatikfehler eines Lessing aufzuspüren, den sie mit hanseatischer Leidenschaft verabscheute, anders als Lichtenberg, den sie verehrte, von der Buchhalterin oder Pressechefin, die Anita hieß und praktisch alle deutschen Schriftsteller kannte, aber nur für französische Literatur schwärmte, von Martha, der Sekretärin, von Haus aus Literaturwissenschaftlerin, die ihm einige Bücher aus dem Verlag geschenkt hatte, für die er sich interessierte, von Rainer Maria, dem Lageristen, der als junger Mann symbolistischer, expressionistischer und dekadenter Dichter gewesen war.
    Er erzählte ihr auch von

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