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Hausschuhe aus Stoff, schwarz und glänzend wie die Nacht. Seine ganze Kleidung war bequem und häuslich, und Morinis Haltung war förmlich anzusehen, dass er nicht die Absicht hatte, am nächsten Tag arbeiten zu gehen, oder dass er zumindest später zur Arbeit gehen würde.
Der Regen draußen vorm Fenster fiel in schrägen Fäden, wie er in der Mail gesagt hatte, und Morinis Erschöpfung, seine Stille und Verlorenheit hatten etwas Sterbensländliches, etwas mit Leib und Seele der Schlaflosigkeit klaglos Anheimgegebenes.
Am folgenden Tag besuchten sie den Kunsthandwerksmarkt, der ursprünglich als Handelsplatz und Tauschbörse für Leute aus dem Umland von Santa Teresa geplant gewesen war und Kunsthandwerker und Bauern aus der ganzen Gegend anzog, die ihre Waren auf Karren oder Eselsrücken heranschafften - zeitweilig waren sogar Viehverkäufer aus Nogales und Vicente Guerrero und Pferdehändler aus Agua Prieta und Cananea gekommen -, der jetzt aber nur noch für Touristen aus Phoenix, Arizona, fortbestand, die im Bus oder in Karawanen von drei oder vier Pkws ankamen und vor Einbruch der Nacht die Stadt wieder verließen. Den Kritikern jedoch gefiel der Markt, und obwohl sie nicht vorgehabt hatten, etwas zu kaufen, erstand Pelletier für eine lächerliche Summe eine kleine Lehmfigur, einen Mann, der auf einem Stein saß und Zeitung las. Der Mann war blond, und aus seiner Stirn spitzten zwei kleine Teufelshörner. Espinoza kaufte von einem Mädchen, dem ein Stand mit Teppichen und Sarapes gehörte, einen indianischen Webteppich. Eigentlich gefiel ihm der Teppich nicht besonders, aber das Mädchen war sympathisch, und er plauderte eine ganze Weile mit ihr. Er fragte sie, woher sie komme, weil er den Eindruck hatte, als wäre sie mit ihren Teppichen von weit hergekommen, aber das Mädchen erwiderte, sie sei doch bloß aus Santa Teresa, aus einem Viertel westlich des Markts. Sie sagte auch, sie bereite gerade ihren schulischen Abschluss vor und wolle sich, wenn alles gutging, anschließend zur Krankenschwester ausbilden lassen. Espinoza fand sie nicht nur hübsch, für seinen Geschmack nur vielleicht etwas zu dünn, sondern auch enorm klug.
Im Hotel erwartete sie Amalfitano. Sie luden ihn zum Essen ein und besuchten anschließend zu viert die in Santa Teresa ansässigen Zeitungsverlage. Dort durchforsteten sie sämtliche Ausgaben im Zeitraum zwischen einem Monat vor Almendros Begegnung mit Archimboldi in DF und den Zeitungen vom Vortag. Sie fanden nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass Archimboldi in der Stadt gewesen war. Zunächst nahmen sie sich die Todesanzeigen vor, dann die Politik- und Feuilletonseiten und schließlich sogar die Nachrichten aus Landwirtschaft und Viehzucht. Eine der Zeitungen besaß keinen Kulturteil. Eine andere berichtete jede Woche auf einer Seite über ein neues Buch oder über Kulturveranstaltungen in Santa Teresa, obwohl mehr dabei herausgekommen wäre, wenn man die Seite dem Sportteil zugeschlagen hätte. Um sechs Uhr abends trennten sie sich am Ausgang der letzten Zeitungsredaktion von dem chilenischen Professor und fuhren zurück ins Hotel. Sie duschten und widmeten sich dann der Durchsicht ihrer Korrespondenz. Pelletier und Espinoza schrieben Morini von den mageren Ergebnissen ihrer Suche. Beide kündigten in ihren Mails an, sie würden, wenn nichts weiter geschähe, sehr bald, spätestens in ein paar Tagen, nach Europa zurückkehren. Norton schrieb Morini nicht. Sie hatte seine letzte Mail nicht beantwortet und keine Lust, auf diesen reglosen Morini einzugehen, der in den Regen starrte, als wollte er ihr etwas sagen und hätte es sich im letzten Moment anders überlegt. Stattdessen rief sie, ohne ihren beiden Freunden etwas zu sagen, bei Almendro in DF an, und nach einigen fruchtlosen Versuchen (El Cerdos Sekretärin und dann seine Hausangestellte sprachen praktisch kein Englisch, obwohl beide sich Mühe gaben) hatte sie ihn am Apparat.
Mit beneidenswerter Geduld erzählte El Cerdo in einem polierten Stanford-Englisch noch einmal in allen Einzelheiten, was geschehen war, nachdem man ihn von dem Hotel aus angerufen hatte, wo Archimboldi von drei Polizisten verhört wurde. Ohne sich in Widersprüche zu verwickeln, berichtete er von ihrer ersten Begegnung, von dem Abstecher zur Plaza Garibaldi, von der Rückkehr ins Hotel, wo Archimboldi seinen Koffer abholte, von der eher schweigsamen Fahrt zum Flughafen, wo Archimboldi in die Maschine nach Hermosillo stieg, und dass er ihn hernach
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