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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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ging in Richtung Tennisplatz, Espinoza folgte. Die Platzbeleuchtung brannte bereits, und zwei Typen mit ausladenden Bäuchen unternahmen unbeholfene Spielversuche, womit sie bei zwei Frauen für Heiterkeit sorgten, die unter einem Sonnenschirm, wie sie auch um das Schwimmbecken herumstanden, auf einer Bank saßen und ihnen zusahen. Am anderen Ende, hinter einem Maschendrahtzaun, befand sich das Saunagebäude, ein Betonklotz mit zwei winzigen Fenstern wie Bullaugen eines gesunkenen Schiffes. Auf der Backsteinmauer sitzend, sagte Pelletier:
    »Wir werden Archimboldi nicht finden.«
    »Das ist mir schon seit Tagen klar«, sagte Espinoza.
    Dann sprang er hoch, sprang noch einmal, bis er sich auf den Mauerrand geschwungen hatte, und ließ die Beine zum Tennisplatz herunterbaumeln.
    »Trotzdem bin ich mir sicher«, sagte Pelletier, »dass Archimboldi hier in Santa Teresa ist.«
    Espinoza schaute seine Hände an, als fürchtete er, sich verletzt zu haben. Eine der Frauen stand jetzt auf und ging auf den Platz. Als sie bei einem der Männer angelangt war, flüsterte sie ihm etwas ins Ohr und machte kehrt. Der Mann reckte die Arme zum Himmel, öffnete den Mund und warf den Kopf in den Nacken, gab aber nicht den leisesten Laut von sich. Der andere Mann, wie sein Gegenüber in makellos weißer Tenniskluft, wartete, bis sich das stumme Gezeter seines Widersachers gelegt hatte, und als dessen Grimassen ein Ende fanden, warf er ihm den Ball zu. Die Partie wurde wieder aufgenommen, und die Frauen lachten erneut.
    »Glaub mir«, sagte Pelletier mit einer Stimme, die so sanft war wie der leichte Wind, der sich in diesem Moment erhob und alles in einen Duft von Blumen hüllte, »ich weiß, dass Archimboldi hier ist.«
    »Wo?«, sagte Espinoza.
    »Irgendwo hier, in Santa Teresa oder Umgebung.«
    »Und warum haben wir ihn nicht gefunden?«, fragte Espinoza. Einer der Tennisspieler fiel hin, und Pelletier lächelte:
    »Das ist unwichtig. Weil wir uns blöd angestellt haben oder weil Archimboldi ein großes Talent hat, sich unsichtbar zu machen. Darauf kommt es nicht an. Wichtig ist etwas anderes.«
    »Und was?«, fragte Espinoza.
    »Dass er hier ist«, sagte Pelletier und zeigte auf die Sauna, das Hotel, den Tennisplatz, die Maschendrahtzäune und das Blattwerk, das man auf dem unbeleuchteten Hotelgelände dahinter erahnen konnte. Espinoza stellten sich die Nackenhaare auf. Der Betonklotz, in dem sich die Sauna befand, kam ihm vor wie ein Bunker mit einem Toten im Innern.
    »Ich glaube dir«, sagte er, und wirklich glaubte er den Worten seines Freundes.
    »Archimboldi ist hier, und wir sind hier«, sagte Pelletier, »und so nah werden wir ihm nie wieder sein.«
    »Ich weiß nicht, wie lange wir es miteinander aushalten«, schrieb Norton in ihrem Brief. »Das interessiert aber weder Morini (glaube ich) noch mich. Wir lieben uns und sind glücklich. Ich bin sicher, Ihr werdet das verstehen.«

Der Teil von Amalfitano

Ich weiß nicht, was mich bewogen hat, hierherzukommen, sagte sich Amalfitano nach einer Woche in Santa Teresa. Du weißt es nicht? Du weißt es wirklich nicht?, fragte er sich. Ehrlich, ich weiß es nicht, sagte er zu sich selbst, und das sagte eigentlich alles.
    Er hatte ein eingeschossiges Häuschen, drei Zimmer, ein komplettes Bad und ein zusätzliches Klo, eine amerikanische Küche, ein Wohn-Esszimmer mit Fenstern nach Westen, eine kleine Backsteinveranda mit einer verwitterten Holzbank, verwittert durch den Wind aus den Bergen und vom Meer, verwittert durch den Wind aus dem Norden, durch den Wind aus den Tiefebenen und den nach Rauch riechenden Wind aus dem Süden. Er hatte Bücher, die er seit mehr als fünfundzwanzig Jahren aufbewahrte. Es waren nicht viele. Und alles alte. Er hatte Bücher, die er vor weniger als zehn Jahren gekauft hatte und bei denen es ihm egal war, ob er sie verlieh oder sie verlor oder sie ihm gestohlen wurden. Er hatte Bücher, die manchmal perfekt eingeschweißt und mit unbekanntem Absender eintrafen und die er nicht einmal mehr öffnete. Er hatte einen Patio, ideal, um dort Rasen zu sähen und Blumen zu pflanzen, obwohl er nicht wusste, welche Blumen sich hier am besten eigneten - Blumen, nicht Kakteen oder Sukkulenten. Er hatte Zeit (glaubte er), einen Garten anzulegen. Er hatte einen Lattenzaun, der ein wenig Farbe gebrauchen konnte. Er hatte ein festes Monatsgehalt.
    Er hatte eine Tochter, die Rosa hieß und immer bei ihm gelebt hatte. Schwer vorstellbar, aber so war das.
    In manchen

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