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Beschuldigungen, die fast alle von Imma kamen, einige aber auch von der Freundin. Sie sprachen von alten Zeiten, vom Kampf gegen den Frankismus, vom Frauengefängnis von Zaragoza. Sie sprachen von einer Grube, einem sehr tiefen Loch, aus dem man Erdöl und Kohle fördern konnte, einem unterirdischen Wald, einem Selbstmordkommando von Frauen. Im nächsten Moment vollzog Lolas Brief eine jähe Wendung. Ich bin nicht lesbisch, sagte sie, ich weiß nicht, warum ich dir das sage, ich weiß nicht, warum ich dich wie ein Kind behandle, indem ich dir das sage. Die Homosexualität ist ein Betrug, ein Akt der Gewalt, der in unserer Jugend an uns verübt wurde, schrieb sie. Imma weiß das. Sie weiß es, sie weiß es, sie ist zu gescheit, um es nicht zu wissen, aber sie kann nichts machen, nur helfen. Imma ist lesbisch, jeden Tag werden Hunderttausende von Kühen geschlachtet, jeden Tag läuft eine Herde oder mehrere Herden von Pflanzenfressern durchs Tal, von Nord nach Süd, mit einer Langsamkeit und zugleich einer Geschwindigkeit, dass mir ganz übel wird, genau jetzt, jetzt, jetzt, verstehst du das, Óscar? Nein, das kann ich nicht verstehen, dachte Amalfitano, während er mit beiden Händen den Brief hielt, als wäre er ein Rettungsboot aus Schilf und Gras, und mit dem Fuß die Wiege seiner Tochter in gleichmäßige Schwingung versetzte.
Anschließend kam Lola noch einmal auf jene Nacht zurück, in der sie mit dem Dichter, der majestätisch und halb verborgen im Irrenhaus von Mondragón lag, geschlafen hatte. Damals war er noch frei, war noch in keine psychiatrische Anstalt gesteckt worden. Er lebte in Barcelona bei einem schwulen Philosophen, und zusammen organisierten sie einmal in der Woche oder alle vierzehn Tage große Feste. Damals kannte ich dich noch nicht. Ich weiß nicht, ob du schon in Spanien oder noch in Italien oder in Frankreich warst oder in irgendeinem Kaff in Lateinamerika hocktest. Die Feste des schwulen Philosophen waren in Barcelona berühmt. Es hieß, der Dichter und der Philosoph seien ein Liebespaar, aber in Wahrheit wirkten sie nicht wie Liebende. Der eine hatte eine Wohnung, ein paar Ideen und Geld, der andere seinen mythischen Ruf, seine Verse und seine Inbrunst, eine hündische Inbrunst, die Inbrunst geprügelter Hunde, die die ganze Nacht oder die ganze Jugend hindurch im Regen, im nie endenden spanischen Graupelschauer herumgelaufen sind und endlich etwas gefunden haben, wo sie sich verkriechen können, und sei es nur ein stinkender Wassereimer mit vage vertrauter Atmosphäre. Eines Tages lachte mir das Glück und ich besuchte eines dieser Feste. Es wäre übertrieben, wenn ich behaupten würde, dass ich den Philosophen persönlich kannte. Ich sah ihn. Er stand in einer Ecke des Wohnzimmers und schwatzte mit einem anderen Dichter und einem anderen Philosophen. Er schien vor ihnen zu dozieren. Dann kam in alles ein falscher Ton. Die Gäste warteten auf das Erscheinen des Dichters. Sie warteten darauf, dass er mit einem von ihnen eine Prügelei anfing. Oder dass er mitten ins Wohnzimmer schiss, auf einen türkischen Teppich, der aussah wie der todmüde Teppich aus Tausendundeine Nacht, ein durchgeklopfter Teppich, der zuweilen die Eigenschaften eines Spiegels annahm, in dem wir uns alle auf dem Bauch liegen sahen. Will sagen: Er wurde zum spiegelbildlichen Spielball unserer Erschütterungen. Unserer neurochemischen Erschütterungen. Als der Dichter erschien, geschah jedoch nichts. Anfangs richteten sich alle Augen auf ihn, gespannt, was sie von ihm erwarten durften. Dann kehrte jeder wieder zu seiner vorherigen Beschäftigung zurück, und der Dichter begrüßte einige befreundete Schriftsteller und gesellte sich zu der Gruppe um den schwulen Philosophen. Ich hatte allein getanzt und tanzte weiter allein. Um fünf Uhr morgens betrat ich eines der Schlafzimmer. An der Hand des Dichters. Ohne dass ich mich auszog, schliefen wir miteinander. Ich kam dreimal hintereinander und spürte dabei den Atem des Dichters an meinem Hals. Er brauchte erheblich länger. Im Halbdunkel erkannte ich in einer Ecke des Zimmers drei Schatten. Einer von ihnen rauchte. Ein anderer flüsterte ununterbrochen. Der dritte war der Philosoph, und ich begriff, dass dieses Bett sein Bett und dieses Zimmer das Zimmer war, in dem er, bösen Zungen zufolge, mit dem Dichter schlief. Jetzt aber war ich es, die mit ihm schlief, und der Dichter war lieb zu mir, ich verstand nur nicht, warum die drei zuschauten, obwohl es mir eigentlich
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