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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Meinung bestärken mußte. Ich konnte mich ziemlich leicht bewegen. Während ich die Fackel in der einen Hand hielt, kroch ich auf der anderen und den Knien weiter, zehn, zwanzig, vierzig Fuß und noch mehr. Der Gang hielt genau dieselbe Richtung ein, aber fast schien es mir, als ob er eine für meine Voraussetzung zu bedeutende Länge habe. Endlich war er zu Ende, oder vielmehr er war verschüttet, und zwar mit demselben lockern Sand, den wir bisher angetroffen hatten. Eben überlegte ich, ob ich denselben wegräumen oder erst Selim und Ben Nil Nachricht geben solle, da hörte ich hinter mir des ersteren Stimme:
    „Allah sei Dank, daß ich dich wieder habe!“
    „Warum kommst du mir nach?“
    „Weil es nicht länger in dieser Finsternis auszuhalten war.“
    „Du fürchtetest dich?“
    „Nein, ich war ein Held, aber dieser kleine Ben Nil fürchtete sich.“
    „Und weil er sich fürchtete, ließest du ihn allein! Du hast eine ganz eigene Art, deinen Mut zu beweisen. Hier, halte die Fackel; ich will graben.“
    Der Sand wich sehr leicht; ich warf ihn unter und hinter mich. Noch war keine Minute vergangen, so fühlte ich frische Luft, welche mir entgegenströmte. Noch eine halbe Minute, und es wurde Tageslicht vor mir, der Sand fiel von selbst zusammen, und es gab ein Loch, durch welches ich kroch. Die Sonne stand gerade über meinem Haupt, und ich befand mich – in dem Loch, aus welchem wir den Haushofmeister geholt hatten. Meine Berechnung oder vielmehr Vermutung war also nicht falsch gewesen.
    Nun sog ich die Luft mit vollen Zügen ein, da drängte Selim sich aus dem Gang zu mir heran, richtete sich auch auf und rief in jubelndem Ton:
    „Allah il Allah! Die Himmel seien gelobt, und alle heiligen Kalifen sollen – – –“
    „Schweig' mit deinen Kalifen, du Esel!“ fuhr ich ihn mit unterdrückter Stimme an. „Willst du uns verraten?“
    „Verraten?“ fragte er mit dem dümmsten Gesicht, welches ich jemals gesehen habe.
    „Allerdings verraten!“
    „An wen?“
    „An diejenigen, welche uns eingesperrt haben.“
    „Aber gerade sie sollen erfahren, daß wir frei sind.“
    „Das sollen sie, doch nicht vor der Zeit. Wenn sie noch da sind, fangen wir sie. Machst du sie aber vor der Zeit aufmerksam, so reißen sie aus, und wir können dann sehen, wo wir sie finden.“
    „Du hast recht, Effendi. Fangen wollen wir sie. Ich werde sie ergreifen und festhalten. Ich werde sie bestrafen und zermalmen. Ich, der würdigste der Helden, will ihnen –“
    „Rede nicht! Ich werde rekognoszieren. Du aber kriechst zurück und holst Ben Nil.“
    „Ich?“ fragte er entsetzt. „Das geht nicht.“
    „Du bist ein Feigling ohnegleichen! Laß ich dich hier, so machst du Dummheiten und kannst alles verderben. Zu dem armen Ben Nil aber zurückzukehren, dazu fürchtest du dich zu sehr.“
    „Ich fürchte mich nicht.“
    „Nun, so gehe!“
    „Ich bleibe doch lieber hier!“
    Der Kerl war wirklich nicht wieder in den Gang zu bringen; ich mußte selbst zurückkehren, schärfte ihm aber vorher ein, daß er sich ruhig zu verhalten und beim Nahen menschlicher Schritte schnell in den Gang zurückzuziehen habe. Ich fand Ben Nil noch da sitzen, wo ich ihn verlassen hatte.
    „Was bringst du für Botschaft, Effendi?“ fragte er.
    „Die beste. Wir sind frei. Der Gang führt in das Freie.“
    Da stand er auf, sank aber sofort wieder auf die Knie nieder und sprach ein lautes Dankgebet. Dann streckte er mir beide Hände entgegen und sagte:
    „Herr, diesen Augenblick werde ich dir nicht vergessen. Sollte ich dir danken können und es nicht tun, so mag Allah mich nicht kennen, wenn ich Einlaß in seinen Himmel begehre. Wo ist Selim, dein Begleiter?“
    „Er steht schon draußen.“
    „Er fürchtet sich wie ein altes Weib und hielt es nicht länger aus. Darf ich mit dir fort?“
    „Natürlich! Ich kam ja, dich zu holen. Nur fragt es sich, ob du kräftig genug bist. Der Gang ist sehr lang, aber so schmal und niedrig, daß ich dich nicht unterstützen kann.“
    „Ich bedarf keiner Hilfe mehr. Die Datteln und Kebab haben mich gestärkt, und die Gewißheit, errettet zu sein, verdoppelt meine Kräfte. Krieche voran, ich folge dir!“
    Er hatte nicht unrichtig gesprochen; die verlorenen Kräfte schienen ihm zurückgekehrt zu sein, und wir erreichten das Freie, ja, aber unsern Selim nicht; er war nicht zu sehen, dafür aber desto lauter zu hören. Ich vernahm seine Stimme:
    „Ihr Hunde, ihr Hundeenkel und Hundenachkommen! Lauft,

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