27 - Im Lande des Mahdi I
Sandwüsten, welche einem Meere gleichen, Bahr bela mah zu nennen.
Unsere Tiere schritten trotz des schlechten Weges wacker aus. Der Kameltrott ist sehr ausgiebig, und mit einem Reitkamel kommt selbst ein echt arabischer Renner auf die Dauer nicht fort. So kam es, daß wir schon nach Verlauf von zwei Stunden die langsam dahinziehende Karawane Murad Nassyrs vor uns sahen. Als er uns kommen hörte, drehte er sich um und war nicht wenig erstaunt, mich zu sehen. Im Vorüberreiten rief ich ihm zu:
„Jetzt siehst du mich wieder, nun zerschmettere mich!“
Er antwortete mit einem Fluche. Selim hielt bei ihm an und sagte:
„Du wirst nicht dein Ziel erreichen, sondern in der Wüste umkommen, da ich nicht mehr dein Beschützer bin.“
„Geh' zum Teufel!“ fuhr ihn sein früherer Herr zornig an.
„Vielleicht treffe ich dich dort, wenn ich zu ihm komme.“
Als wir dem Türken aus den Augen waren, bogen wir von der Straße rechts ab, weil der Lieutenant seine Soldaten in dieser Richtung gelassen hatte. Er war kein Wüstenreisender, und so wäre es wohl möglich gewesen, daß er sich in der Richtung irrte; aber die so verschieden gestalteten Felsen und Berge gaben genug Anhaltspunkte, in denen man sich kaum irren konnte. Als ich in dieser Beziehung eine Frage aussprach, antwortete er:
„Hier ist es ganz unmöglich, sich zu verirren; es gibt zwar keinen eigentlichen Weg oder Steg, aber ich habe mir die Gestalt der Höhen, an denen ich vorübergekommen bin, so eingeprägt, daß ich mich nicht irren kann. Anders ist es in der Sandebene, in welcher ich mich nicht zurechtfinden kann.“
„Wie hast du da Korosko gefunden? Ihr habt ja durch die Sandwüste gemußt.“
„Habe ich dir nicht gesagt, daß der Emir uns einen vortrefflichen Führer mitgegeben hat? Dieser Mann ist ein alter Korporal, welcher öfters im Sudan gekämpft hat und ganz besonders diese Wüste kennt. Er hat uns geleitet und ist bei den Soldaten zurückgeblieben, nachdem er mir die genaue Richtung Korosko angegeben hat. Du wirst ihn als einen sehr brauchbaren Menschen kennenlernen.“
Nach einiger Zeit erreichten wir abermals ein trockenes Chor; dies war der Ort, an welchem die Soldaten die Rückkehr die Lieutenants erwarteten. Wir fanden sie nicht alle; es waren nur zehn da, und zwar ohne Kamele. Der Lieutenant erschrak und erkundigte sich nach dem Verbleib der andern und der sämtlichen Tiere. Wir erfuhren, daß der alte Korporal auf den Gedanken gekommen war, die Abwesenheit des Anführers zu einem Schnellritt nach dem Nil zu benutzen, um die Kamele, welche wohl für längere Zeit des Wassers zu entbehren hatten, zu tränken und dabei die Schläuche mit frischem Wasser zu füllen. Dieses eigenmächtige Handeln erfüllte den Lieutenant mit Besorgnis; ich versuchte, ihn zu beruhigen; er aber meinte zornig:
„Nimm ihn nicht in Schutz, Effendi! Wir sind keine gewöhnlichen Reisenden, sondern Soldaten, und da muß auf strenge Disziplin gehalten werden. Dieser Onbaschi (Korporal) durfte ohne meine Erlaubnis diese Stelle nicht verlassen.“
„Er hat es gut gemeint.“
„Das mag sein; aber mancher hat eine Dummheit begangen, indem er es gut meinte. Es soll niemand sehen, und doch reitet dieser Mensch mit dreißig Männern und über vierzig Kamelen nach einer Gegend, in welcher er unbedingt gesehen werden muß!“
„So hast du ihn mir also ganz falsch geschildert.“
„Wieso?“
„Du nanntest ihn einen brauchbaren Mann, scheinst ihn aber, wie ich jetzt höre, für unzuverlässig zu halten.“
„Das ist er eigentlich nicht; nur hätte er mich fragen sollen. Wie leicht kann er Leuten begegnen, welche ihn und uns an diejenigen verraten, die wir fangen wollen!“
„Du sagst, daß er die Wüste kennt; er wird also wohl einen Weg einschlagen, auf welchem er niemand begegnet.“
„Dennoch kann eine solche Begegnung stattfinden, weil der Nil noch zu nahe liegt.“
„Wenn er von hier aus gerade reitet, so trifft er zwischen Toschkeh und Tabil auf den Fluß und wird voraussichtlich von niemandem gesehen. Und sieht er unterwegs jemand kommen, so wird es ihm, wenn er wirklich so erfahren ist, wie du sagtest, leicht sein, auszuweichen. Warten wir ruhig seine Rückkehr ab.“
„So meinst du nicht, daß wir ihm nachreiten sollen?“
„Nein, denn wir würden dadurch eine etwaige Unvorsichtigkeit nicht ungeschehen machen können.“
Wir lagerten uns bei den Gepäckstücken, welche am Boden lagen. Die zehn Soldaten hielten sich in ehrerbietiger
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