27 - Im Lande des Mahdi I
zu sprechen. Mein Bruder hat mir erzählt, daß du meine Schwester verachtest.“
„Ich verachte sie nicht; aber ich bin ein Christ und als solcher ein Feind aller Sklavenhändler. Ich muß mich also von Murad Nassyr trennen.“
„Das betrübt mich sehr! Du hast mir die Zierde meines Hauptes wiedergegeben, und ich wollte dir gerne dafür dankbar sein; nun aber ist dies unmöglich. Aber ich werde immer an dich denken.“
„Auch ich werde mich deiner gern erinnern. Lebe wohl, o Blume des Glückes, o Abglanz der Lieblichkeit!“
„Lebe wohl, Effendi! Ich zürne dir nicht.“
Ich ging weiter, in meine Stube, welche eigentlich nur ein Loch zu nennen war. Da saßen Selim und Ben Nil und stritten sich, wie ich hörte, wieder einmal über die Tapferkeit des ersteren. Bei ihrem Anblick fiel mir ein, daß ich vergessen hatte, den Lieutenant auf diese beiden aufmerksam zu machen. Ich teilte ihnen mit, was ich ihnen zu sagen für nötig hielt, und sah sie darüber erfreut, daß sie nun mit dem Türken nichts mehr zu tun hatten. Ich aber befand mich um ihretwillen in einer kleinen Verlegenheit. Wie sollten sie mit mir fortkommen?
In dieser Bedrängnis fiel mir der Schech el Beled ein. Der Lieutenant war bei ihm gewesen, und daraus schloß ich, daß er diesen und den Raïs Effendina kenne. Als ich bei ihm eintrat, begrüßte er mich als den fremden Effendi, von dem der Lieutenant gesprochen habe. Ich trug ihm mein Anliegen vor, und er antwortete:
„Herr, du bist ein Freund des Emirs, und ich stehe dir sehr gerne zu Diensten. Willst du Reit- oder Lastkamele?“
„Tiere zum Reiten, aber sie müssen gut und schnellfüßig sein.“
„Die sind teuer. Kannst du sie denn bezahlen?“
„Den Preis für zwei Reitkamele habe ich freilich nicht bei mir.“
„So kannst du sie nur leihen?“
„Auch das geht leider nicht. Ich müßte den Besitzer mitnehmen und kann zu dem, was ich vorhabe, keinen solchen Mann gebrauchen.“
„Das tut nichts. Du leihst sie ja für den Emir, und ich sage gut für dich und ihn. Du hast sogar nicht nötig, die Miete vorauszubezahlen. Ihr übergebt die Tiere dem Ababdeh-Schech in Abu Hammed; dieser sendet sie mir zu, und wenn dann später der Emir einmal nach Korosko kommt, werde ich die Rechnung mit ihm machen.“
„Das ist mir sehr lieb. Aber sind denn gute Reitkamele schnell zu haben? Es gibt, wie ich sehe, hier nur einige Lastkamele, welche der Türke, mit dem ich gekommen bin, gemietet hat.“
Er zog ein schlaues Gesicht und antwortete:
„Du bist zwar ein Franke, aber vielleicht weißt du dennoch, wer mächtiger ist als selbst der mächtigste Fürst.“
„Das weiß ich. Du meinst eine Hand, welche offen ist?“
„Ja; eine offene Hand vermag alles.“
Ich zog einige ägyptische Taler heraus; als ich sie ihm hinreichte, griff er schnell zu, steckte sie ein und sagte:
„Effendi, du bist der Klügste unter den Weisen, und deine Güte fließt über von Erbarmen. Du stehst hier an Stelle des Emirs, welcher schnell und gut bedient wird. Die Verleiher lassen ihre Tiere nicht sehen, um hohe Mieten zu erzielen; du aber sollst, wenn du jedem der Besitzer noch ein Bakschisch von einem Taler gibst, in der kürzesten Zeit zwei Reitkamele haben, welche ebenso schnell laufen, wie dasjenige, auf welchem der Lieutenant gekommen ist.“
„Dieses Bakschisch will ich gern zahlen.“
„So gehe ich sofort, um mit den Männern zu sprechen, und dann werden wir die Tiere bringen.“
Er eilte fort, und ich kehrte in den Khan zurück. Dort war der Türke beschäftigt, die von ihm gemieteten Kamele beladen zu lassen. Eins von denselben bekam einen Tachterwahn zu tragen, eine Frauensänfte, welche für die Schwester Murad Nassyrs bestimmt war. Zwei andere trugen den Proviant und die vollen Wasserschläuche; zwei weitere wurden mit je zwei Körben behangen, in welche die vier Dienerinnen zu sitzen kamen; ein sechstes bestieg der Türke und ein siebentes der Führer, dem die Kamele gehörten. Der letztere gab das Zeichen zum Aufbruch, indem er rief!
„Ja Schech Abd el Ka-a-der!“
Der Heilige der Kadirine ist nämlich nicht nur der Patron der Schiffer, sondern auch der Kameltreiber und Karawanenführer, und wird infolgedessen auch von diesen bei jedem Aufbruch angerufen. Der kleine Zug setzte sich in Bewegung. Bevor der Türke durch das Tor ritt, drehte er sich nach mir um und rief:
„Du hast mir Selim abspenstig gemacht, du schmutzigster unter allen Unreinen. Merke dir, was ich dir schon sagte:
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