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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war davon nichts zu finden gewesen. Wir hätten uns übrigens auch nicht die Mühe des Sammelns geben können, da unsere Zeit zu kostbar war.
    Meine drei Begleiter waren nicht nur solcher Parforcetouren, sondern überhaupt des Kamelreitens nicht gewöhnt; darum fühlten sie sich angegriffen. Der Lieutenant besaß zu viel Stolz, als daß er geklagt hätte; auch Ben Nil war still; aber Selim jammerte sehr.
    Mit dem Morgengrauen erwachten wir und setzten den Ritt fort. Die Berge wurden bald seltener, und die Felsen machten dem Sand Platz, dessen Fläche sich wie ein endloses, unbewegtes, gelbes Meer vor uns ausdehnte. Ich trieb mein Kamel an, und die andern mußten folgen, obgleich die gestrige Anstrengung ihnen noch in den Gliedern lag.
    Die Sonne stieg an dem wolkenlosen Himmel höher und höher und sandte ihre Strahlen herab, welche die Atmosphäre mit steigender Glut erfüllten. Um die Mittagszeit war es, als ob wir Feuer atmeten. Der Lieutenant wurde stiller und stiller, Ben Nil ebenso; desto lauter klagte Selim. Er wollte in jeder Viertelstunde anhalten, um abzusteigen und sich niederzulegen. Ich redete ihm zu, vergebens. Ich nahm ihn bei der Ehre, indem ich sagte:
    „Ich habe bisher geglaubt, du seist vom Stamm der Fessarah; das scheint aber nicht wahr zu sein.“
    „Es ist wahr.“
    „Aber die Fessarah sind doch wohl die berühmtesten Kamelreiter zwischen Dar-fur und dem Nil?“
    „Auch das ist richtig“, antwortete er in stolzem Ton. „Ich bin der größte Held ihres Stammes.“
    „Dann würdest du dich nicht in dieser Weise über einen leichten Ritt beklagen. Du jammerst ja wie ein Kind. Ist das eines Helden würdig?“
    „Nein; aber in diesem Augenblick bin ich kein Held, sondern ein zerschlagener und ausgedörrter Mann, den die Strahlen der Sonne fressen. Ich muß unbedingt absteigen und ausruhen.“
    „Jetzt, wo die Versäumnis eines Augenblickes genügt, unsern Plan unausführbar zu machen? Bedenke, daß wir die geraubten Weiber und Töchter der Fessarah, also deines Stammes, retten wollen!“
    „Was gehen mich alle Weiber und Töchter der Erde an, wenn ich ihretwegen zu Grunde gehen soll!“
    „Du bist kein guter Mensch, Selim. Um anderen Gutes zu erweisen, muß man ein Opfer bringen, und hier handelt es sich um die Freiheit und das Glück sehr vieler Personen!“
    „Ich mag von ihnen nichts wissen.“
    „So bist du geradezu ein schlechter Kerl!“
    „Richtig, sehr richtig! Aber mein Leben muß mir lieber sein als dasjenige hundert anderer. Ich bin ein Held, ein tapferer, verwegener Kämpfer und Krieger; ich fürchte mich selbst vor dem Teufel und vor Gespenstern nicht, wie ich dir glanzvoll bewiesen habe, aber von der Sonne gebraten zu werden, das ist zuviel, das braucht sich kein Held gefallen zu lassen. Ich halte an und steige ab.“
    „Tue es; ich habe nichts dagegen“, antwortete ich zornig.
    „Ich danke dir, Effendi! Ich wußte, daß du doch noch verständig handeln werdest. Wir werden also hier ausruhen!“
    „Wir? Nein, sondern nur du. Wir reiten natürlich weiter.“
    „Weiter reiten?“ fragte er besorgt. „So soll ich hier allein bleiben?“
    „Jawohl, da es dir so beliebt. Ich steige nicht eher ab, als bis ich unser heutiges Ziel erreicht habe. Wer nicht mit will, der mag zurückbleiben und sich von den Geiern fressen lassen. Gehen dich die Frauen der Fessarah, welche deine Verwandten sind, nichts an, so habe auch ich mit dir nichts mehr zu schaffen.“
    Ich trieb mein Kamel weiter, zornig über den Mann, der sich so gefühllos gegen seine Stammesangehörigen zeigte. Er sah ein, daß er verloren war, falls er zurückblieb, und folgte. Überdies wäre ihm das Absteigen wohl nicht sehr leicht geworden, da sein Kamel, wenn wir andern weitergeritten wären, sich geweigert hätte, anzuhalten.
    Auf diese Eigentümlichkeit der Kamele bauend, hielt ich mich stets voran. Noch am Vormittag hatten wir die Höhe von Abu Rakib erreicht, und nach Mittag kamen wir in diejenige von Wadi Merischa. Während dieser ganzen Zeit hatte ich den Boden unausgesetzt im Auge gehabt, um eine Spur zu entdecken, aber nichts dem Ähnliches gefunden.
    Und weiter ging es, immer weiter. Die vier Kamele warfen die langen Beine ohne Ermüden vorwärts; es waren wirklich ausgezeichnete Tiere. Wenn nur die drei Reiter ebenso ausdauernd gewesen wären. Von Selim war gar nicht zureden; er war ein Schwächling in jeder Beziehung; die beiden andern hatten Charakter, aber sie waren die Wüste nicht gewohnt und

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